NATO, USA, Globalisierung und Normalisierung

Die EU und die Neutralität Österreichs

Donald Trump möge uns noch länger erhalten bleiben (wird es aber wahrscheinlich nicht). Er ist wirklich nützlich, um die Politik der USA selbst ihren Freunden gallig zu machen. Nunmehr geht er wieder einmal auf seinen Festlands-Degen, die BRD und ihre Merkel los. Selbst den USA wohl Gesonnene sprechen von Schutzgeld-Erpressung. Die Mafia-Assozi­ation ist nicht so schlecht. Nur Wolfgang Schäuble fühlt das Bedürfnis, diesen Typen zu verteidigen und fällt damit seiner Partei-Freundin (?) und Kanzlerin in den Rücken: „Der US-Präsident nutze Kommunikationsformen, die ihm fremd seien und die ihm nicht gefielen, erklärte Schäuble. In der Sache habe er aber nicht unrecht“ (NZZ, 12. Juli 2018).

Es gibt zwei politische Bereiche, wo man sich als rationaler Mensch immer wieder wundert, wie sehr verschwendete Ressourcen und sinnlose Ausgaben auf Duldung und Verständnis bei vielen Menschen stoßen. Das eine ist die Landwirtschaft in modernen Wirtschaften. Die lassen wir hier einmal beiseite. Das andere aber ist die sogenannte „nationale Sicherheit“. Das ist natürlich ein Fetisch-Begriff. Man könnte meinen, hoch technisierte und wohlhabende Gesellschaften hätten das Problem zumindest bezüglich ihrer Außengrenzen ganz gut im Griff. Dahinter steckt aber eine andere, völlig missgestaltete und missbrauchte Sorge und eine berechtigte Aufmerksamkeit.

Es geht um die nationalstaatliche Unabhängigkeit, welche vielen Menschen ein hohes An­liegen ist, die aber von den politischen Eliten seit Jahrzehnten mit ihrer Politik der Globalisie­rung an die Interessen der Kapital-Eliten verhöckert wird. Aber gleichzeitig wollen sie immer wieder aufrüsten und bringen dies recht häufig bei der eigenen Bevölkerung auch durch. Hier setzen die Eliten, die wirtschaftlichen wie die politischen, an. Konservative betrachten seit je die Militär-Ausgaben als einen Symbolwert, welchen sie sehr hoch schätzen: Je mehr umso besser.

Die Verfügung über die Gewalt-Mittel ist der Kern des Staats, seit er aus Häuptlingtümern entstand und heute sich in postnationalen Imperien paradigmatisch verkörpert. „Nationale Sicherheit“ ist in der Realität von heute der Wille dieser Imperien, ihre Politik vor allem gegen Widerstände aus der Peripherie durchzusetzen und dabei auch massive militärische Mittel einzusetzen. Die Drohung richtet sich auch nach Innen. Gerade bei jenen Staaten, welche sich ein robustes Auftreten nach Außen gar nicht leisten können, ist dies besonders ausgeprägt. Das lässt sich an einem kleinen Detail gut belegen, das nur auf dem ersten Blick paradox erscheint. Man sehe sich einmal die Militär-Ausgaben unterschiedlicher Staaten zu Zeiten an, als es in Lateinamerika fast nur Militär-Diktaturen gab. Diese Militär-Diktaturen hatten keineswegs besonders hohe Militär-Ausgaben – im Gegenteil, im Vergleich nicht nur mit den USA, sondern auch zu anderen hoch entwickelten Ländern waren diese ziemlich bescheiden: Aber sie reichten für den Aufbau einer effektiven Repression im Inneren.

So sprechen denn auch die Ideologen der bürgerlichen Politik gerne vom „Gewalt-Monopol“, wenn sie die heutigen Staaten definieren und gleichzeitig sakralisieren wollen. Und das ist tatsächlich ein wesentlicher Punkt. „Die Macht kommt aus den Läufen der Gewehre.“

Aber der gegenwärtige fast hysterische Ausbruch des Herrn Trump und die Aufregung am NATO-Gipfel hat einen anderen und viel trivialeren Kern. Trump möchte einfach, dass ein Teil der Ausgaben der USA von anderen beglichen wird, weil die USA seit einiger Zeit bereits auf dem absteigenden Ast sitzt. Er möchte, und das ist historisch ja nichts Neues, dass die Abhängigen zumindest einen Teil der Kosten der Herrschaft und der Dominanz über sich selbst bezahlen. Der nützliche Neben-Effekt gegenüber der militärisch-politischen Halb-Peripherie, welche Europa darstellt, ist: Die europäischen Länder schaden sich selbst damit, dass sie einen wachsenden Teil ihrer Ressourcen unnütz verschleudern. Damit werden sie gegen die Führungsmacht zumindest ein klein wenig geschwächt.

Aber warum spielen diese Länder mit? Warum erklären sie, allen voran die BRD, dass sie das Ziel von 2 % an Rüstungs-Ausgaben teilen?

Die globale politische Struktur sieht noch immer die USA als militärisch hochgerüstete Macht fast als einzige dazu fähig, unmittelbar irgendwo zu intervenieren und dort einmal fast Alles platt zu machen. Frankreich tut zwar so, als ob es das auch könnte. Aber alle wissen, dass es auch in Afrika, gegen sehr schlecht entwickelte Länder, dazu allein nicht mehr in der Lage ist. Die USA sind also in der weltweiten politischen Arbeitsteilung die eigentliche Söldner-Nation. Und Söldner wollen bezahlt werden. In diesem Sinn fühlt sich Trump im Recht und gibt ihm Schäuble Unterstützung. Die politisch-militärische Abhängigkeit von den USA zeigt sich auch in der sklavischen Unterwürfigkeit gegenüber deren Wünschen, etwa in der Russland-Politik.

Die österreichische Bundesregierung hat sich entschlossenen, den nächsten „Normalisierungs-Schritt“ zu machen. „Normalisierung“ war und ist vielleicht noch immer das Lieblingswort eines in Österreich bekannten, mittlerweile vom ORF wieder häufig gefragten Politikwissen­schaftlers. Diese Normalisierung an westeuropäische Verhältnisse ist das Haupt-Motiv, warum Österreich zur EG / EU musste; so die These, die speziell auch von der SPÖ und den mittlerweile fast verblichenen Grünen hoch gehalten wird.

Zu dieser Normalisierung gehört Vieles: Was Normalisierung im politischen Alltag bedeutet, das begannen uns Vranitzky und Konsorten vorzuführen. Als den Konservativen dies aber zu langsam ging, tat sich Schüssel mit Haider zusammen und bildete die erste Wende-Regierung. Ihr ausdrückliches Ziel war: Die Normalisierung Österreichs schneller voran zu bringen. Speed kills. Schüssel war ziemlich erfolgreich dabei. Gusenbauer setzte diese Politik fort, brach sich aber in seinem Ungeschick selbst das Genick. Faymann kaufte sich eine Zeitung, führte Gusenbauers Politik fort, aber verlor damit buchstäblich jede Wahl. So musste ein neuer SP-Vorsitzender und Kanzler heran. Aber Kern tat auch nichts Anderes als Gusenbauer und Faymann. Viele Österreicher waren frustriert und stürzten sich aus dem Regen in die Traufe.

Kurz / Strache macht jetzt Schüssel II. Aber sie verfolgen eine andere Rhetorik als Schüssel und seine g’spritzte Vizekanzlerin Riess-Passer („Sollen sie halt streiken!“). Über den wichtigeren Aspekt, die sozio-ökonomische Normalisierung, wollen wir uns ein anderes Mal unterhalten.

Hier geht es um die weltpolitische Normalisierung. Dazu gehört die Ein- und Unterordnung unter die Militärpolitik der EU. Eine Zeitlang war, auch in der SPÖ, man erinnere sich an den Herrn Cap, die Ausrichtung auf die NATO Mode. Inzwischen versucht man es eher mit PESCO / SSZ, der „Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit“, also der vollständigen Abhängigkeit von der BRD und auch Frankreich, beginnend mit der Besorgung der militärischen Hardware, der Waffen und Fahrzeuge also.  Das wichtigste Zwischenziel entspricht jenem von Trump: Die Militärausgaben sollen ständig und kräftig erhöht werden. Dafür hat man begonnen, ebenso kräftig bei den Gesundheits- und Sozialausgaben zu sparen. Vielmehr: Das Programm ist entwickelt. Ob die Durchführung auch klappen wird, hängt auch von uns ab. Aber der nächste Anschlag ist bereits offen gelegt: Nachdem die Tages- und Wochen-Arbeitszeit verlängert wird, heißt das Programm: Verlängerung der Jahres-Arbeitszeit – die fünfte Urlaubswoche ist das nächste Abbau-Ziel. Die Sozialministerin hat schon freundlich genickt. Doch siehe da: Zum ersten Mal reagiert eine AK-Präsidentin und meint: Wir wollen eine sechste Urlaubswoche – relativiert dies aber fast im selben Satz wieder („muss nicht gleich sein“).

Aber – und das heißt ja Normalisierung – das ist keineswegs eine besonders spezielle österreichische Politik. Das ist die Politik der EU und allgemein der Globalisierung. Und da gibt es noch Gewerkschaftlerinnen, welche öffentlich sagen: Jetzt müssen wir uns auf die EU verlassen.

Albert F. Reiterer, 13. Juli 2018

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