Was sagt uns S. Kurz‘ Kritik am Freihandelsabkommen mit dem Mercosur?

Nicht, dass er es nicht unterzeichnen würde, sondern, dass die Mehrheit skeptisch ist

Kanzler in spe Kurz erklärt im Wahlkampf gerne, dass er das Freihandelsabkommen EU-Mercosur „in dieser Form“ nicht unterschreiben würde. Er wolle die österreichische Landwirtschaft und sogar den Regenwald schützen.

Das ist heiße Luft. Kurz und seine ÖVP wird nicht nur nichts gegen das Abkommen unternehmen, sondern sie verdingen sich sogar als Einpeitscher des neoliberalen Freihandels. „Österreich ist eine Exportnation“ so der Stehsatz – als ob das ohne wenn und aber gut wäre und für allgemeinen Wohlstand sorgen würde.

Dagegen gilt es aufzustehen: Freihandel ist ein Euphemismus für das globale Recht des Stärkeren, für den Abbau aller Errungenschaften, die das Schalten und Walten der Großkonzerne und der hinter ihnen stehenden Zentrumsstaaten begrenzen, ja ist Ausdruck des Neokolonialismus.

Um die soziale Ungleichheit zu dämpfen, Demokratie und selbstbestimmte Entwicklung zu ermöglichen, die Umwelt zu schützen, bedarf es der politischen Gestaltung durch die Mehrheit mittels der (National)staaten. Und das heißt auch die Kontrolle der Handelsströme und der Bewegung der Produktionsfaktoren. Die Globalisierung von unten gibt es nicht, nur die von oben – und der muss Einhalt geboten werden.

Doch eine gewisse Bedeutung hat Kurz‘ heiße Luft dennoch. Dass er das Thema überhaupt aufgreift, und sei es in der neoliberal-populistischen Art und Weise die nur zu Kosmetik führt, zeigt, dass selbst bis in die ÖVP-Wählerklientel die Mär vom Freihandel = Paradies nicht geglaubt wird.

Die ÖVP ist die Hauptpartei der Top-Elite und der oberen Mittelschichten, aber sie reicht am Land auch weiter hinunter, insbesondere dort wo es eine soziokulturelle Verbindung zur Landwirtschaft gibt. Diese Klientel hat durch die EU-Binnenmarktvorgaben in den letzten Jahrzehnten bereits massiv Federn lassen müssen – ohne groß zu murren.

„Mercosur-Ramschfleisch“ ist gleichzeitig frappantes Symbol aber auch Ablenkung auf einen äußeren Feind.

Gegen den Import von billigem Rindfleisch produziert mit rücksichtslosen industriellen Methoden stellt sich eine große Mehrheit und das berechtigterweise. Es stellt die Absurdität des Freihandelsregimes dar: Bei uns geht die Landwirtschaft vor die Hunde, während in Brasilien der Regenwald dafür vernichtet wird und dazwischen schiebt sich der Transport bei dem die Hochseeschiffe im rechtsfreien Raum unkontrolliert Dreck in die Luft blasen.

Warum ist es auch Ablenkung? Weil die Betreiber des Freihandels nicht vor allem das brasilianische Agrobusiness ist (das auch), sondern die westliche Industrie, insbesondere die deutsche und im Schlepptau auch die österreichische. Dass einfache Industrieprodukte aus der Peripherie den Westen überschwemmen, stört unsere Elite nicht. Im Gegenteil, damit wird enormer Lohndruck ausgeübt und die sozialen Errungenschaften des kontrollierten Kapitalismus der 70er Jahre zurückgeschraubt. Das ist übrigens ein deklariertes Ziel der neoklassischen Freihandelsdogmatiker an den Unis und in den Medien. (Die zugehörigen Politiker versuchen diesen Zusammenhang zu verschleiern.)

Bei der Landwirtschaft, die ja nach dieser Zivilreligion auch dem Markt ausgesetzt werden soll, stört es dann doch, denn es zersetzt die politische und ideologische Basis der ÖVP.

Unsere politische Aufgabe ist es sie mit dieser populistisch-neoliberalen Ablenkung nicht durchkommen zu lassen, sondern das Freihandelsregime insgesamt in Frage zu stellen und für eine Rückkehr zur demokratischen und sozialen Regulierung zu kämpfen. Das dient der großen Mehrheit an der Peripherie wie im Zentrum. Wir können es in folgenden Punkten zusammenfassen und sollten dazu mobilisieren:

  • Schluss mit der mit dem Freihandelsregime fixierten neokolonialen Ungerechtigkeit, die jede Entwicklung in den armen Teilen der Welt blockiert und damit auch die Migrationspumpe antreibt.
  • Schluss mit den neoliberalen Verheerungen bei uns, die durch das Freihandelsregime mit verursacht werden.
  • Freihandel und Demokratie gehen nicht zusammen, denn die Freihändler wollen ihre Profite garantiert haben, die über den demokratischen Entscheidungen durch die Mehrheit zu stehen haben (siehe Investitionsschlussabkommen und globale Schiedsgerichte).
  • Umwelt- und Klimaschutz ist nur durch Regulierung durch die Staaten möglich.

Und zu guter Letzt: Die EU selbst darf nicht aus der Kritik ausgespart werden, denn es ist die wichtigste Freihandelsorganisation und sie ist Modell: alle Macht einem nicht gewählten Apparat bestellt aus dem Beamten der dominanten Staaten und gelenkt von den Wirtschaftseliten. Nach innen wie nach außen ist die EU ein neoliberaler Panzer und das ist ihre raison d‘être.

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