Die Positionierung des neoliberalen Leitmediums sagt alles. Am Tag nach der Präsentation des Regierungsprogramms ist der Chefredakteur Rainer Nowak (3.1.20) nicht nur voll des Lobes, sondern regelrecht begeistert.
Das Kernstück: „Die Steuersätze in den Eingangsstufen sinken sehr deutlich, ebenfalls die Körperschaftssteuer. Die Angst der Industrie vor den Grünen scheint […] unbegründet gewesen zu sein. […] Die Grünen beweisen Augenmaß, das etwa Gewerkschaften zuletzt immer wieder fehlte.“
Auch die Moslemhatz findet er genial. „Die FPÖ-Politiker würden gerne lautstark „Linksrück!“ brüllen. Allein: Das vorliegende Regierungsprogramm gibt das nicht her.“ Tatsächlich haben die Grünen im Namen des Klimaschutzes der ÖVP erlaubt, die FPÖ-Politik ohne FPÖ fortzusetzen. Tatsächlich genial – allerdings nur im Sinne der Eliten.
Und die Gegenleistung? Was das „aus der Sicht der Grünen“ „zentrale Stück“ betrifft, „dort winkten die Türkisen alles durch, weil kaum realisierbar: Die eigentliche Waffe gegen den Klimawandel in Form eines neuen, völlig umgestalteten, also „ökologisierten“ Steuersystems, das Energie und Rohstoffverbrauch viel höher belasten wird, wird aufgeschoben und einer Taskforce überantwortet.“
Vom wirklichen ökosozialen Hebel, nämlich dem Ende der fossilen Großprojekte wie die Autobahngigantomanie, ist im Regierungsprogramm keine Rede – also wird entsprechend der realen Kräfteverhältnisse die ÖVP einfach weitermachen. Für den öffentlichen Verkehr gibt es schöne Worte wie die Verbilligung. Doch der Schlüssel liegt beim Angebot und den dazu notwendigen Investitionen. Und die Investitionsbremse („Nulldefizit“) ist fest einbetoniert, um die Reichen zum Schaden der Gesellschaft und der Umwelt noch reicher zu machen.
Wenn es sich abermals um eine „Regierung der Industriellenvereinigung“ handelt, wie wir Schwarzblau bezeichnet haben und wie wir es auch für Schwarzgrün belegen werden, wie kommt dann Nowak auf die „Große Koalition“? „Die Presse“ hört nicht auf den neoliberalen Einpeitscher zu spielen, sie will immer mehr: „Eine echte Pensionsreform oder eine notwendige Redimensionierung unseres Sozialsystems? […] Fehlanzeige. Was sich schon ÖVP und FPÖ nicht trauten, lassen lieber auch ÖVP und Grüne aus. Da können die restlichen SPÖ-Ratgeber noch so oft „neoliberal“ giften.“
Viel kann Nowak nicht aufbieten, dass nach Zugeständnis der ÖVP und der Eliten ausschaut – aber das war bei der Großen Koalition auch schon so. Er spricht von einem „Programm der Mitte“ mit den „bemerkenswerten Ausnahmen“ von Migration, Asyl und Grundrechten. Schadenfroh bemerkt er richtig, dass auch viele Grüne für das sind, was wir autoritären Identitarismus gegen Muslime nennen würden. Und was die Präventivhaft betrifft, die selbst ihm nicht ganz geheuer zu sein scheint, meint er, die Grünen würden auf die verfassungsrechtlichen Schwierigkeiten setzen.
Nowak hat mit seiner Analyse „einer Großen Koalition“ insgesamt sehr recht: Das neoliberale Elitenprogramm wird vom Linksliberalismus gedeckt im Gegenzug für Zutritt zu den Futtertrögen und Leuchtturmprojekten ohne Substanz. Nach drei Jahrzehnten war die SP ausgelutscht, bei den Grünen wird die Abnutzung keine Legislaturperiode überdauern.
Die Moral von der Geschichte? Einzig die außerparlamentarische Opposition zählt!
Das entscheidende Argument gegen den rotschwarzen Neoliberalismus war die Angst vor der FPÖ. Jetzt ist die gleiche Logik am Werk, nur dass die Grünen von Anfang an noch mehr die Hosen herunterlassen mussten als die SP. Die FP hat das Regierungsprogramm halb mitgestaltet.
Die einzige Chance den neoliberalen Angriff und damit auch den ihn begleitenden Rechtspopulismus zu bekämpfen, ist die politisch-soziale Opposition auf der Straße. Das gilt übrigens genauso für ökologische Anliegen, wie die Verhinderung des Lobautunnels und einer Vielzahl ähnlicher Projekte. In der Wiener Stadtregierung und die der Bundesregierung dienen die Grünen vor allem dazu, den Widerstand einzuschläfern. Ganz abgesehen davon, dass ökologische Anliegen nur in Kombination mit sozialen durchsetzbar sind, um Mehrheiten auch von unten dafür zu gewinnen. Der öffentliche Verkehr und massive Investitionen in diesen sind der Schlüssel: Umweltschutz, Verteilung nach Unten, sozialere Raumentwicklung, Arbeitsplatzwirkung.
Klar, Österreich ist nicht Frankreich, Massenstreik und Gelbwesten undenkbar. Trotzdem führt kein Weg an der Bildung einer ökosozialen Opposition gegen das bunte Regime des Neoliberalismus vorbei. Könnte sich eine solche sichtbar artikulieren – und dafür muss sie auch die EU als übergeordneter Zwinger des Neoliberalismus aufs Korn nehmen –, würde sie das gesamte politische System durchwirbeln. Arbeiten wir gemeinsam dran in Form eines breiten Bündnisses.
Für ein Selbstbestimmtes Österreich – demokratisch, sozial, souverän, neutral