In Krisenzeiten, wie in jener, in die wir gerade hineinschlittern, manifestiert sich die soziale Ungleichheit sichtbar an ganz alltäglichen, jedoch an erwartbaren Dingen:
- an der Zahl der Schüler_innen pro Schulstandort die bei vermindertem Betreuungsschlüssel weiterhin die Schule besuchen, da ihre Eltern im Handel oder in der Pflege arbeiten bzw. als schwarz arbeitende schauen müssen wie sie ein Einkommen lukrieren.
- an der Zahl der Schüler_innen, die vor kleinen Handybildschirmen sitzen und versuchen die ihnen online zugesendeten Aufgaben etwas ratlos zu entschlüssel – und sich letztlich von den Mitschüler_innen, welche Eltern zu Hause haben, die ihnen helfen können, die Lösung schicken lassen (oder auch nicht).
- an der Zahl der Kinder, die von öffentlichen Plätzen „weggestampert“ werden, da sie nicht im privaten Garten spielen können.
- am Anstieg der häuslichen Gewalt gegen Frauen.
- und nicht zuletzt an der Zahl der Arbeitslosen die trotz Kurzarbeitsregelung in den letzten Tagen gekündigt wurden: 74.000 neue Arbeitslosenmeldungen beim AMS seit Montag werden für Wien berichtet. Massiv betroffen ist der Bereich der Gastronomie, ein Bereich, in dem prekäre Arbeitsverhältnisse bereits vor der Krise vorherrschend waren. Die Unternehmen wollen sich die Unsicherheit bei Inanspruchnahme der Kurzarbeit, 10% - 20% des Lohns ihrer Angestellten weiter zahlen zu müssen, nicht leisten. Das hat für die betroffenen Angestellten massive Konsequenzen, denn auch mit einem Wiedereinstellungsbescheid können Sie in der Wirtschaftskrise, die wohl länger als die Quarantäne andauern wird, nicht davon ausgehen so bald wieder eine Arbeit zu finden. Anstelle, wie die Kurzarbeitsregelung vorsieht, 80% bis 90% des Gehalts zu bekommen, beziehen sie das Arbeitslosengeld von 65% - und in Folge die Notstandshilfe und dann…?
Aber auch wenn die Virus-Krise wirtschaftlich gesehen jene am härtesten trifft, die bereits zuvor nicht am gesellschaftlichen Wohlstand teilhaben konnten, ist diese Krise anders als die vorhergehenden. Denn durch den Ausnahmezustand schränkt sie das alltägliche und soziale Leben aller ein. Das hat auch Konsequenzen für das Arbeitsleben und Arbeitnehmer_innen rechte priviligierter Teile der Gesellschaft: Ganz selbstverständlich wird davon ausgegangen, dass Arbeitnehmer_innen die Möglichkeit haben zu Hause zu arbeiten (und paralell ihre Kinder zu betreuen): Ein eigener Laptop, Internet,...
Der Druck, weiterhin produktiv zu bleiben, ist nicht gesunken, sondern in einigen Bereichen sogar noch gesteigert. Kinder werden dazu angehalten ihren Schulpflichten nachzukommen und – damit die Eltern ihrer Arbeitspflicht nachkommen können - vor dem Fernsehen oder Videospielen geparkt, da es sonst gar nicht möglich ist Kinderbetreuung und Homeoffice unter einen Hut zu bekommen. Klar gibt es die Möglichkeit des Sonderurlaubs für betreuungspflichtige Personen, aber nicht überall ist es realistisch und möglich diesen durchzusetzen. Denn: In der Krise sind die wenigsten Arbeitgeber_innen bereit, zusätzliche Kosten zu tragen. Und bevor ein Sonderurlaub vereinbart wird, muss erst einmal der bestehende Urlaub aufgebraucht werden. Für betreuungspflichtige Eltern, die zwangsweise ihren Urlaub jetzt konsumieren, wird das ein spannender Sommer….
Unklar ist auch, wie vor allem kleine Unternehmen die kommende Krise meistern und welche Unterstützung ihnen von staatlicher Seite zukommt. Der Ruf „Zusammenzuhalten“ wird laut, der in Krisenzeiten wohl nur so übersetzt werden kann, wie es sich real ausdrückt: Dass die Schwächsten in der Gesellschaft die Folgen der Krise schultern müssen und zusammen ein Auffangnetz für die Eliten knüpfen (während sie selbst nicht bedacht werden).
Wie lange werden die Ausnahmeregelungen im Arbeitsrecht nach der Quarantänezeit aufrechterhalten werden? Was bedeutet die Technokratisierung und Individualisierung im Bereich der Bildung und im Arbeitsleben, die jetzt erprobt wird, für die Zukunft des Lernens und Arbeitens? Bereits jetzt haben die technischen Möglichkeiten die, wie die Krise auch zeigt, geringer sind als in der Vergangenheit phantasiert, zur Entgrenzung des Arbeitslebens geführt. Die Krise zeigt, dass dieser Prozess noch weitere gehen kann (und verweist zugelich auf seine Grenzen).
Wir müssen also hellhörig sein, wenn es darum geht Arbeitnehmer_innenrecht in der Krise zu verteidigen, oder auch den Wert des Lernens von und miteinander – von einem gleichberechtigten Zugang zu Bildung (der in Österreich sowieso nie gegeben war) hochzuhalten und durchzusetzten. Wir müssen Protestformen finden, die sichern, dass die Kosten der Krise – wie bereits bei der Bankenkrise 2008 passiert – nicht wieder auf die Arbeitnehmer_innen abgewälzt werden, während sich die großen Firmen und Banken erretten, um nach einigen Jahren so weiterzumachen wie bisher. Bereits in der Krise zeigen sich Wege, wie das möglich sein kann: durch massive staatliche und sozialpolitische Investitionen, durch weitreichende Arbeitsmarktprogramme, die bestenfalls auch die Langzeitarbeitslosen mit ins Boot holen, … Aber es liegt an uns, ob nach der Quarantäne ein Weg eingeschlagen wird, der eine gerechtere Verteilung des gesellschaftlichen Wohlstands, ein Ende der Austerität und die Sicherung von Arbeitnehmer_innenrechten ermöglicht – denn die Eliten haben kein Interesse daran, das System von dem sie jahrelang profitierten, zu ändern.