Das Aktionskomitee „Niemanden zurücklassen“ hatte am 2. Juli zur Pressekonferenz geladen, um die Demo vom 4.7.20 mit der Kernlosung „Arbeitslosengeld erhöhen“ bekanntzumachen.
Während die Mainstreampresse das Ereignis ignorierte, wurde die Zusammenkunft hochkaratiger Vertreterinnen und Vertreter verschiedener sozialer und politischer Sektoren der von der Krise am härtesten Getroffenen, zum Brainstorming darüber, wie im Herbst angesichts des zu erwartenden wirtschaftlichen und sozialen Niedergangs Widerstand entwickelt werden kann.
Unmittelbarer Fokus ist die Erhöhung des Arbeitslosengeldes. Rund ein Drittel aller unselbständig Beschäftigen sind von Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit betroffen. Wenn die Regelungen im Herbst auslaufen oder verschlechtert werden und ein großer Teil keine neue Arbeit mehr findet, kommt es mit der gegenwärtigen Ersatzrate von 55% zu einer exorbitanten Zunahme der Armut, die wiederum die Wirtschaftskrise durch die fehlende Nachfrage verstärken wird.
Nicht nur können sich viele Menschen nicht mehr den Urlaub leisten, wie Armin Kraml, Betriebsrat, Vorstandsmitglied der AUGE-UG und Mitglied des Vereins Arbeitslos.Selbstermächtigt aus Oberösterreich warnt. Insbesondere in Billiglohnsektoren wie dem darniederliegenden Tourismus sind 90% Kurzarbeitsgeld mitunter ein Problem, wie Nobert Bauer, Betriebsrat einer großen Wiener Hotelkette und Vorsitzender des Solidarwerkstatt aufzeigte. 55% seien eine absolute Katastrophe.
Johann Zuljevic-Salamon, ein Sozialunternehmer aus dem Mühlviertel mit rund 50 Beschäftigten, attackierte das Argument der Regierung, dass man die Menschen aus der sozialen Hängematte holen müsse. Die hunderttausenden freien Arbeitsplätze seien einfach nicht da und die „Hängematte“ gibt es nicht.
Alle waren sich einig, dass eines der Kernstücke des Neoliberalismus, die Schaffung eines Billiglohnsektors auch mittels Absenkung der Arbeitslosenunterstützung, an der die schwarzgrüne Regierung so festhält, unbedingt beendet werden muss.
Gerhard Ruiss von der IG Autoren und einer der Verhandler mit der Regierung berichtete wie schwer die ersten Monate für viele waren, nicht nur freischaffende Künstler, sondern den Hunderttausende umfassenden Sektor der prekär und atypisch Beschäftigen war. Im vierten Monat hätten einige nun endlich eine Unterstützung bekommen. Doch was solle im Herbst werden? Im Bereich der Freischaffenden sei noch gar nichts in Ordnung. Wir müssten uns auf die große Katastrophe im Herbst einrichten und solidarisch über alle Sektoren ein Bündnis bilden, das gegenüber der Regierung für eine größeres Eingreifen der öffentlichen Hand eintritt.
Die feministische Sozialwissenschaftlerin Lisbeth Trallori wies darauf hin, dass die Krise die Benachteiligung von Frauen weiter verstärkt habe. Wie sehr die Frauen gebraucht würden, habe sich an den überwiegend weiblichen Handelsangestellten und den extra aus Rumänien herangeschafften Pflegerinnen gezeigt. Es brauche eine sozial-ökologische Wende und man müsse die Grünen zum Bruch mit dem Neokonservativismus zwingen.
Franz Koskarti, Betriebsratsvorsitzender der Österreichischen Gesundheitskasse für Wien und Mitglied der GewerkschafterInnen und SozialdemokratInnen gegen Notstandspolitik, blies ins gleiche Horn. Eine gerechtere Verteilung können nur durch die aktive Gestaltung und größere Rolle der öffentlichen Hand auch in der Wirtschaft erreicht werden und sei die einzige Methode gegen die drohende Vertiefung der Krise zu wirken.
Jutta Matysek von der „Bürgerinitiative Lobau retten“ stellte die Frage, warum für die Asfinag und den Autobahnbau noch immer so viele Milliarden zur Verfügung stünden. Einhellig war die Antwort, dass ein öffentliches Investitionsprogramm vor allem den unteren Schichten zu gute kommen und auch im Sinne des ökologischen Umbaus wirken müsse.
Norbert Bauer fügte noch hinzu, dass viele der für die Unternehmen dringenden Hilfen am EU-Recht scheitern würden. Man müsse zur demokratischen Souveränität zurückkehren, um der Krise zu begegnen.
Der Moderatorin Patience Kamuania, die sowohl beim Personenkomitee Selbstbestimmtes Österreich als auch bei Blacklivesmatter dabei ist, wurde die Frage gestellt, ob die Sozialbewegung mit den Forderungen der Bewegung gegen Rassismus verbunden werden könne. Das brauche Zeit, aber sei notwendig und möglich.
Ruiss fasste es zusammen: „Wir brauchen ein Signal des Umdenkens!“ Wir müssten Solidarität üben und uns zusammenschließen für eine ökosoziale Wende gegen den Neoliberalismus und für eine größere Rolle der öffentlichen Hand.
Darum werden wir als Aktionskomitee für den Herbst eine große Zusammenkunft, einen Ratschlag zur Krisenbekämpfung im Interesse der Mehrheit und zum Bruch mit dem neoliberalen Regime organisieren. Die Pressekonferenz war ein Beitrag dazu.
Videoaufnahme von der Pressekonferenz
Audioaufnahme von der Pressekonferenz