Argumente gegen den Lobautunnel

Schnellstraße „S1“ von Schwechat nach Süßenbrunn, mit Seitenast „Spange Seestadt“ und „Stadtstraße“ zur Südosttangente, sowie mit Seitenast „S8“ Marchfeldschnellstraße nach Untersiebenbrunn und weiter über Marchegg nach Bratislava

Mythos „Die Lobauautobahn ist ja nur eine Umfahrung, durch die die Stadt weiter drinnen verkehrsentlastet wird“

Falsch.

Richtig ist: Wenn eine Hochleistungsstraße, also Autobahn oder Schnellstraße gebaut wird, wird das Autofahren für Pendler und LKW Transporte attraktiver. Es entsteht zusätzlicher Verkehr. Auch die Prognosen der ASFINAG, die zweifellos kein „Autogegner“ ist, zeigen eindeutig, dass es MIT Lobauautobahn insgesamt viel viel mehr „Gesamtverkehr“ im Nordosten von Wien und im Nordosten von Österreich geben wird als ohne Bau dieses Autobahnnetzwerks.

 

Mythos „Die Lobauautobahn entlastet aber zumindest die Ortskerne in der Donaustadt, weil der Verkehr außen herum geleitet wird“

Falsch.

Richtig ist: Auch wenn sich Politiker öffentlich immer zum „Schutz der Wirtschaft“ bekennen wollen, werden in Wirklichkeit die großen Konzerne gefördert und man will von Kommunalsteuern der Firmenansiedlungen entlang von neuen Autobahnen profitieren. Deshalb ist es kein Zufall, dass im Rahmen der Verhandlungen zwischen Wien und Niederösterreich (unter Einbeziehung der ASFINAG und des eigentlich zuständigen Ministeriums) die geplante Trasse der Lobauautobahn zwischen Großenzersdorf und Süßenbrunn fast genau der Grenze Wien-NÖ folgt, mit all den Ecken und Kurven. Wien und NÖ wollen sich die lukrativen Profite aus Firmenansiedlungen teilen. Dies bedeutet aber, dass diese Firmen und Großmärkte NUR mit dem PKW bzw. LKW erreichbar sind. Sowohl die Lieferungen (LKW), als auch die Angestellten und sämtliche Kunden (PKW) müssen mittels KFZ hinfahren. Öffis werden keine Rolle spielen, so wie beim Einkaufszentrum Gerasdorf (G3), das am bereits existierenden Nordteil dieser „Ringautobahn S1“, nahe der Einmündung der Nordautobahn A5, gebaut wurde. Insgesamt wird also auch in den Ortskernen der PKW und LKW Verkehr ansteigen.

 

Mythos „Die Autobahn bewirkt aber zumindest einen Wirtschaftsaufschwung, weil sich große Firmen nur mehr dort ansiedeln, wo es eine Autobahn gibt“

Falsch.

Richtig ist: Die Ansiedlung entlang neuer Autobahnstrecken im Nordosten Wiens (sozusagen eine Shopping City Nordost, oder ein Industriezentrum Nordost) ist nur für große Firmen und Konzerne rentabel. Diese bewirken eine vernichtende, ruinöse Konkurrenz für kleinere Betriebe weiter drinnen, in den Ortskernen und im Rest vom Nordosten Wiens. Dies führt zu einer Verödung der Ortskerne, zur Insolvenz kleinerer Geschäfte, Gastronomiebetriebe, Handelsbetriebe. Einerseits wird die kleinteilige Landschaft aus Klein- und Mittelbetrieben ruiniert (was Arbeitslose erzeugt), andererseits sind wie erwähnt die neuen Betriebe (Gastronomie, Handel) nicht mehr mit Öffis erreichbar.

 

Mythos „Die zweifellos hohen Kosten von vielen Milliarden Euro für den Bau des Lobautunnels und der angrenzenden neuen Autobahnen nach Süßenbrunn, zur Seestadt und nach Bratislava werden dem Steuerzahler nichts kosten, weil dies ja die ausgegliederte, privatwirtschaftlich agierende ASFINAG bezahlt“

Falsch.

Richtig ist: Die „Ausgliederung“ der ASFINAG aus dem Budget der Republik Österreich ist nur ein Schummeltrick, um das Defizit der Republik irgendwie möglichst unter den drei Prozent des Bruttoinlandproduktes zu halten, wie es die EU den Staaten ja gnadenlos vorschreibt. In Wirklichkeit ist die ASFINAG erstens jetzt schon haarsträubend verschuldet, und die sehr teuren neuen Autobahnen (insbesondere der sündteure Lobautunnel) müssen mit Bankkrediten finanziert werden, die sehr lange Laufzeiten haben.

Die Banken geben der exorbitant verschuldeten ASFINAG nur deshalb so gigantische weitere Geldbeträge, weil sie eine „ausgezeichnete Bonität (Rückzahlungsfähigkeit)“ besitzt: Es haftet nämlich die Republik für die Rückzahlung sämtlicher Schulden, also wir, die Bevölkerung.

Da die ASFINAG an sich ja nur jenes Geld verwenden kann, das sie von der Bevölkerung auf irgendeinem Weg bekommt, sind es auch weiterhin die Menschen in Österreich, die die riesigen Geldbeträge samt gigantischen Zinsen zurückzahlen müssen.

 

Mythos: Aber sind es nicht eh hauptsächlich die LKWs, etwa die Transit-LKWs, die mit ihren Gebühren den Bau der Autobahnen finanzieren?

Falsch.

Richtig ist: Die enorme Verschuldung der ASFINAG, die weiterhin steigen wird, wird man sich von den Menschen auf irgendeinem Weg zurückholen müssen. Schon jetzt ist jeder Österreicher, wenn man die ASFINAG-Schulden auf die Bevölkerung rechnerisch aufteilt, mit mehreren tausend Euro „in der Kreide“, also verschuldet. Die Rückzahlung der riesigen Bankkredite der ASFINAG wird sich nicht über Jahre, sondern wohl über Jahrzehnte erstrecken, sodass noch unsere Kinder zurückzahlen werden müssen. Momentan haben wir extrem niedrige Zinsen in Europa bzw. weltweit, aber es ist zu erwarten, dass sich dies mittelfristig drastisch ändern kann. Insofern können wir gar nicht sagen, wie viel diese Riesenprojekte insgesamt wirklich kosten werden. Die Zinsrate der nächsten 20 oder 30 Jahre ist unvorhersagbar, insofern sind auch die Kosten des Lobautunnels hinsichtlich der Zinsentwicklung völlig unvorhersagbar! (Ein zweiter Grund ist das extrem hohe technische Risiko beim Tunnelbau in diesem Gebiet, das zu einer Kostenexplosion führen wird, jede Wette, dass es eine gigantische Kostenüberschreitung geben wird - siehe weiter unten).

 

Mythos „Der Autobahnbau schafft aber wenigstens Arbeitsplätze, nämlich in der Bauwirtschaft über Jahre hinweg“

Falsch.

Richtig ist: Der Tunnelbau ist, ebenso wie generell der Bau von Autobahnen, ein sehr maschinenintensiver Vorgang, der hohe Kosten verursacht, aber vergleichsweise wenige Arbeitsplätze schafft, wenn man zum Vergleich andere Möglichkeiten betrachtet, um diese vielen Milliarden Euro in sinnvolle Projekte zu investieren. Zwar handelt es sich formal gesehen um Gelder, die sich die theoretisch „privatwirtschaftlich“ agierende ASFINAG als Kredite bei Banken holt und dann über Jahrzehnte abstottert, sodass eine Umlegung dieser Gelder in sinnvolle Projekte im Sozialbereich oder im umweltverträglichen Infrastrukturbereich nicht unmittelbar von der ASFINAG selbst durchgeführt werden kann. Letztlich würden die riesigen ASFINAG Schulden, die für den Bau der genannten Autobahnen aufgenommen werden müssten, aber wie erwähnt von der Bevölkerung auf irgendeinem Weg zurückgezahlt werden. Genauso gut könnte die Republik diesen Betrag als Kredit von den Banken leihen und ihn für sinnvolle Projekte ausgeben, um ein besseres Leben für Alte, Kranke, ausgebeutete Niedrigverdiener, Arbeitslose, sozial Schwache, Alleinerzieherinnen, usw. zu ermöglichen. An der Autobahn verdienen primär die großen Konzerne, zuerst die Baukonzerne (die sehr eng mit der Politik verwoben sind), später jene Konzerne, die sich entlang der Autobahn ansiedeln und die blühenden Felder des Marcheggs im Nordosten von Wien in öde Gewerbeflächen verwandeln.

 

Mythos: Aber ist nicht irgendwie doch ein Tunnel unter Donau und Nationalpark sinnvoll, weil wir dadurch die Natur schützen, und das sollte uns das Geld wert sein?

Falsch.

Richtig ist: Natürlich ist ein Tunnel unter dem Nationalpark ein wenig „schonender“, als wenn wir die halbe Lobau abholzen und an der Oberfläche eine Autobahn bauen. Tatsächlich gibt es aber eine ganze Menge Gründe, warum der Tunnel gefährlich ist für Lobau und Nationalpark. Und zwar:

 

Die Abgase:

Natürlich bleiben bei zwei riesigen Tunnelröhren mit je 9 (!) Kilometer Länge die Abgase der Tag und Nacht fahrenden PKWs und LKWs nicht im Tunnel drin, sonst würde man ersticken. Ein Gebläse bringt die krebserregenden Abgase, mit Dieselruß, Feinstaub, Stickoxid, zu den beiden Tunnelausfahrten. Wenn man sie dort einfach ausblasen würde, würde bei Schwechat und bei Großenzersdorf/Essling eine hochgiftige extreme Schadstoffkonzentration entstehen. Ursprünglich wollte man deshalb sehr hohe „Schlote“ bauen, aus denen sich die Abgasluft dann über ein sehr weites Gebiet verbreitet. Sozusagen eine Verteilung auf möglichst große Areale, damit pro Quadratmeter Gegend ein bissl weniger Schadstoffe niedergehen. Weil die Schlote aber unschön ausschauen für die Bevölkerung (erinnert zB an Müllverbrennung mit Dioxin oder an Atomkraftwerke), wird man nun niedrige Schlote bauen, wo die Abgase mit hoher Geschwindigkeit in die Höhe geblasen werden, Zweck ist derselbe, Verteilung über ein großes Areal. In Wien haben wir sehr oft Nordwestwind (seltener Südwestwind, Nordwind, etc.). Bei Nordwestwind und bei Nordwind werden die Abgase über sehr große Bereiche tief in den Nationalpark hinein getragen, Tag und Nacht, wo die krebserregenden Dieselrußpartikel (mit Polyaromatischen Kohlenwasserstoffen) langsam niedergehen. Der Ultrafeinstaub mit diesen Schadstoffen kann sehr lange schweben und geht tief in die Lunge hinein. Auch Pflanzen werden durch solche Abgase geschädigt, wie man längst weiß.

Frage: Kann man in die beiden Schadstoff-Ausblas-Bauwerke bei Schwechat und bei Großenzersdorf/Essling nicht Filter einbauen? Antwort: Nein, das geht technisch nicht. Nur bei relativ konzentrierten heißen Schadstoffen wie in einem Automotor gelingt es mit hohem Aufwand, Schadstoffe wenigstens teilweise rauszufiltern (Stichwort „Katalysator“ usw.). Bei der sehr stark verdünnten Schadstoff-Luft-Mischung aus dem Tunnel ist eine Filterung de facto nicht machbar.

Frage: Was bedeutet der Begriff „Lüftungsbauwerke“, der in den Plänen und Grafiken der ASFINAG bei den beiden Tunnelausfahrten eingezeichnet ist? Antwort: Das ist lediglich eine Art „Werbeschmäh“, weil „Lüftung“ besser klingt als „Abgas-Ausblas-Bauwerk“.

 

Das Grundwasser:

Die beiden gigantischen Tunnelröhren haben ziemlich sicher einen beträchtlichen Einfluss auf das Grundwasser im Nationalpark. Wie bei vielen Großprojekten liegt die größte Gefahr jedoch in jenen Auswirkungen, die wir nicht vorhersehen oder falsch prognostizieren.

Das Grundwasser ist nicht eine einheitliche Schicht, sondern besteht aus mehreren Horizonten, zwischen denen sich sehr feinkörnige, mehr oder weniger wasserdichte (also wasserundurchlässige) Schichten befinden. Insbesondere die sehr tief liegenden Wasserhorizonte unter dem Nationalpark sind sehr sauber und sehr wertvoll, sie werden von der Stadt Wien als Notreserve für die Bevölkerung von Wien angesehen, wenn irgendein Zwischenfall die Versorgung über eine oder beide Hochquellenleitungen behindert. (Dabei könnte man zB an einen Terroranschlag auf Hochquellenleitungen denken, bisher noch nie passiert, aber was weiß man.) Einige Zeit können die Wasserspeicher rund um Wien zwar aushelfen, aber die riesige Trinkwasserreserve unter der Lobau ist trotzdem wichtig. Die Stadt Wien sieht diese Trinkwasserhorizonte in der Tiefe für so wichtig an, dass der Vorschlag von Ökologen, die Lobau wieder von Donauhochwässern durchfluten zu lassen („lebendige Untere Lobau“), von Ulli Sima und Ex-Bgm Häupl vehement zurückgewiesen wurde, weil ja „ein Chemieunfall auf der Donau sein könnte und gleichzeitig die Hochquellenleitungen zerstört werden könnten“.

In der Unteren Lobau gibt es Trinkwasserbrunnen der Stadt Wien, wo solches Trinkwasser aus der Tiefe gewonnen und ins Wasserleitungsnetz eingespeist wird.

Die zweite Bedeutung hat das Grundwasser der Lobau, nämlich die obersten Horizonte, für Vegetation und Tierwelt der Aulandschaft. Schwankende Wasserstände, gelegentliches Hochwasser, nicht zu langes Austrocknen ermöglicht erst die Vielfalt an Lebensräumen, von Wasserarmen, sumpfigen Bereichen, Steilhängen mit Eisvogelbrutplätzen bis zu verschiedenen Auwaldökosystemen.

Beides, die tiefen Wasserhorizonte und das oberflächliche Grundwasser, wird durch den Bau der beiden riesigen Tunnelröhren gefährdet. Jede der beiden Röhren soll den gewaltigen Durchmesser von 14 Metern haben. Es gibt fast nirgends in Europa Bohrmaschinen, die so dicke Tunnelröhren graben können. Die ASFINAG hat logischerweise angesichts der 9 Kilometer langen Tunnelröhren Sorge hinsichtlich von Unfällen und Tunnelbrand und will deshalb drei Spuren haben, zwei Fahrspuren und einen Pannenstreifen.

Wenn nun diese Bohrmaschinen in Schwechat in einer riesigen Baugrube ihren Weg in die Tiefe zu bohren beginnen, durchbrechen sie verschiedene Grundwasserhorizonte und auch „Wasserstau-Horizonte“, also die wasserdichten Zwischenbereiche. Es ist bei solchen Tunnelbohrungen im Ausland schon passiert, dass dann das Wasser eines oberen Horizonts durch einen Bruch in der Zwischenschicht langsam teilweise hinunter in die Tiefe „ausgeronnen“ ist, was zu einem Absinken des lebensnotwendigen Wassers in der Au führen kann.

Ebenso ist es möglich, dass beim Bohren der Tunnelröhren eine Verunreinigung der tiefgelegenen wertvollen Trinkwasserschichten verursacht wird. Solche gigantomanischen, technisch nur schwer beherrschbaren Projekte sind in ihren Auswirkungen einfach nicht vorhersehbar. Und Schäden, die dabei entstehen, sind nie mehr reversibel.

 

Das Anbohren der verseuchten Bereiche unter dem Ölhafen:

Dort, wo heute der „Ölhafen“ mit dem Öltanklager Lobau steht, war einst eine Erdölraffinerie. Wir „verdanken“ dies der Nazi-Zeit. Als man damals große Gebiete in Osteuropa in einem Angriffskrieg eroberte und ausbeutete, beispielsweise Öl aus rumänischen Erdölfeldern und Getreide, wurden bei Wien für das Getreide große Speicher am Südufer bei Albern gebaut, sowie am Nordufer in der Lobau eine Raffinerie, um aus dem rumänischen Erdöl und jenem aus der Gegend von Zistersdorf u.a. Treibstoff für Kampfflugzeuge und andere Produkte herzustellen. Diese Raffinerie wurde zu Kriegsende bombardiert (und später in den Bereich Schwechat-Mannswörth verlegt). Riesige giftige Ölmengen sind damals ins wertvolle Grundwasser der Lobau abgesickert. Vor längerer Zeit (ungefähr zwischen 2000 und 2010) hat man endlich reagiert und mit Spezialgeräten und enormem Aufwand und hohen Kosten riesige Betonwände rund um das Tanklager Lobau in den Untergrund bis in rund 70 Meter (!) Tiefe hergestellt, damit das wertvolle Grundwasser der Unteren Lobau nicht sukzessive verseucht wird.

Nun kommt das Projekt der Lobauautobahn ins Spiel. Dieser Autobahnring im Osten, von Schwechat über den Bereich Lobau nach Norden rund um Wien, ist übrigens auch eine Idee der Nazi-Zeit, wie man auf Plänen der damaligen Zeit sehen kann. (Damals war sie allerdings brutal an der Oberfläche geplant, Tunnel dieser Größe waren damals nur schwer machbar.) Die beiden Tunnelröhren mit unglaublichen 14 Metern Durchmesser verlaufen unter Donau und Lobau in bis zu 50 Metern Tiefe. Dies ist zwar sehr tief, allerdings reichen die Betonwände, die den verseuchten Bereich aus der Nazi-Zeit umschließen, noch tiefer hinunter, nämlich bis 70 Meter. Die beiden riesigen Tunnelbohrmaschinen, die man aus dem Ausland kommen lassen will, sollen daher in enormer Tiefe, etwa 40 bis 50 Meter unter Tanklager und Nationalpark, ihre Bohrköpfe in die Umschließungswände schaben, zwei 14 Meter große Löcher bohren, dann quer durch den verseuchten Bereich weiterbohren und auf der anderen Seite neuerlich zwei 14 Meter große Löcher durch die erst kürzlich errichteten Schutzwände bohren. Niemand kann genau voraussagen, ob es gelingt, sozusagen „dichte“ Rohrstöpsel mit 14 Metern Durchmesser zwischen verseuchtem Areal und Außenbereich zu erzeugen, oder ob Brüche und Risse in der Umschließungswand dazu führen, dass die giftigen Kohlenwasserstoffe aus der Nazi-Zeit sukzessive wieder in das umgebende Trinkwasser bzw. Grundwasser der Lobau, insbesondere der Unteren Lobau, hinaussickern.

 

Für Autofahrer ist vielleicht interessant:

Wie sicher sind die beiden Lobauautobahn-Tunnelröhren eigentlich? Was passiert dort bei einem Auffahrunfall, bei einem Tunnelbrand-Unfall, in 40 bis 50 Metern Tiefe unter dem Donaustrom?

Zu allererst ein spannendes Zitat: Bereits am 11. Mai 2007, vor 14 Jahren, als die Diskussion um den Bau des Lobautunnels auch damals schon in vollem Gange war, brachte der Standard das Zitat: „Ich kann nicht eine Anlage errichten, von der ich weiß, dass sie ein Massengrab werden kann.“

Dieses Zitat stammte nicht von einem hysterischen Panikmacher, der keine Ahnung vom Thema hat. Dieses Zitat stammt vom Tunnelexperten Willy Matzke. Und Willy Matzke ist innerhalb vom ÖAMTC der absolute Fachmann zum Thema Tunnelsicherheit. Matzke kritisierte, dass man bei einem Massenunfall oder Tunnelbrand keine Notausstiege nach „außen“ habe. Außerdem fehle ein dritter Stollen, ein Sicherheitsstollen, für Rettungsfahrzeuge. Die ASFINAG wies die Vorwürfe des ÖAMTC-Tunnelexperten „auf das Schärfste“ zurück: Ein Aufstieg von rund 40 Metern durch ein Stiegenhaus sei schwierig, Bauarbeiten für Notausstiege im Nationalpark seien nicht erlaubt. Man plane ja stattdessen alle 250 Meter einen Querstollen („Rettungsstollen“) zwischen den beiden Tunnelröhren, wo man bei einem Brand in die jeweils andere Röhre flüchten könne.

siehe   http://derstandard.at/2877306/OeAMTC-warnt-vor-Massengrab

Das war also 2007. Die Zeiten ändern sich. Damals rechnete die ASFINAG mit Baukosten von 1,2 Milliarden Euro, Baubeginn solle 2011 erfolgen, die Eröffnung der Tunnelröhren 2018.

Im Laufe der Planungen und Behördenverfahren wurde der ASFINAG klar, dass insbesondere die Querstollen extrem teuer zu errichten sind, weil tief im Grundwasser (wo Sedimentgestein und Grundwasser auch einen hohen Druck haben) nur schwer zu graben ist. Die großen Tunnelbohrmaschinen können dies nicht erledigen, man muss stattdessen das gesamte Sedimentgestein (Kies, Sand, Ton) samt Grundwasser mit hohem Stromaufwand zu Eis gefrieren, damit die Bohrungen nicht im wahrsten Sinn des Wortes „absaufen“. (Das Absaufen einer Tunnelbaustelle kommt gelegentlich vor, etwa beim Bau der U1 nahe der Taubstummengasse, als sich die Arbeiter gerade noch vor dem ansteigenden Wasser retten konnten, und beim Bau der U2 im Bereich der Ausstellungsstraße.) Die Querstollen trieben den Preis des Projekts bald in schwindelnde Höhen. Ganz still und ohne viel in der Öffentlichkeit zu erwähnen, beschloss die ASFINAG, jeden zweiten Rettungsstollen (Querstollen) einfach wegzulassen, um Geld zu sparen. Die EU schreibt vor, dass Rettungsstollen in Tunnelbauten alle 500 Meter ein vorgeschriebenes Minimum ist, und die ASFINAG zog sich auf dieses vorgeschriebene Minimum zurück. Dies bedeutet, wenn bei einem katastrophalen Auffahrunfall mit einem über 1000 Grad heißen Großbrand im Tunnel der Unfallort sehr nahe vor einem Rettungsstollen passiert, kann man nach „vorne“ nicht zum nahen Rettungsstollen, sondern muss (möglicherweise verletzt, so gut wie sicher zu Fuß, möglicherweise bei Hitze und Rauch) einen halben Kilometer zurück gehen, bis man den nächsten Rettungsstollen erreicht. Auch wenn die Rauchabsaugung halbwegs funktioniert, kann es zu einem schauerlichen Szenario kommen. Auch später äußerte sich der ÖAMTC-Experte Matzke („Massengrab“) extrem kritisch zu den Gefahren des Tunnelprojekts.

Ist ein Brand im Tunnel tatsächlich so gefährlich für Autofahrer?

Definitiv ja.

Wenn man sich informieren will:

1999 Brand im Mont Blanc Tunnel:  https://de.wikipedia.org/wiki/Mont-Blanc-Tunnel#Der_Tunnelbrand_von_1999

Ebenfalls 1999 Brand im Tauerntunnel:  https://www.sn.at/wiki/Tauern-Tunnel-Brand_1999

2019 im Tunnel der Südumfahrung S1 bei Rannersdorf  https://www.noen.at/schwechat/tunnel-rannersdorf-s1-kilometerlanger-stau-nach-lkw-brand-schwechat-fahrzeugbrand-tunnelsperre-s1-tunnel-rannersdorf-stau-145388034

 

Bei der ASFINAG ist man sich der Möglichkeit eines Großbrandes im Lobautunnel durchaus bewusst. Bei einem Großbrand kann die dicke Betonschale eines Tunnels zerbrechen, so wie im S1-Tunnel bei Rannersdorf im Jahr 2019. An der Oberfläche ist dies auch schon sehr gefährlich, wenn Trümmer herabstürzen. 40 bis 50 Meter unter der Donau ist der Wasser- und Gesteinsdruck enorm hoch, sodass die ASFINAG extra eine dicke zweite Tunnelschale bauen will, damit beim Bruch einer Tunnelschale durch einen Großbrand dann hoffentlich die zweite Schale hält und nicht auch noch größere Wassermengen die Katastrophe im Tunnel verschärfen.

Hermann Knoflacher, der legendäre und außerordentlich kompetente Verkehrsexperte und emeritierte Professor an der TU Wien (Verkehrswissenschaften), wies kürzlich auch noch auf eine besondere Gefahr hin: Der teilweise waagrecht verlaufende Tunnel hat an zwei Stellen eine Art „Knick“, wo die Rampen hinauf an die Oberfläche nach Schwechat und nach Essling-Groß Enzersdorf beginnen. An diesen Knickstellen kann es passieren, dass schwer beladene Fracht-LKWs oder Tanklastwagen plötzlich langsamer werden, weil die Steigung durchaus beträchtlich ist. Genau diese Stellen sind sozusagen vorprogrammiert für einen Auffahrunfall unter Beteiligung von Lastkraftwagen, weil PKWs die Steigung wesentlich leichter erklimmen. Ein Blick auf die drei oben genannten Tunnelbrände zeigt, dass LKWs bei Tunnelkatastrophen eine besonders große Gefahr darstellen können.

Aber die ASFINAG, die findet es doch offenbar gut und richtig, dass dort ein Tunnel gebaut wird?

Nein. Interessanterweise eigentlich nicht wirklich.

Ursprünglich sollte die Lobauautobahn wesentlich näher bei der Praterbrücke/Südosttangente verlaufen - so wurde es etwa 2003 oder 2004 propagiert. Damals war ein Verlauf etwa beim Biberhaufenweg geplant (teilweise unterirdisch), sodann am Rand vom Flugfeld Aspern, der heutigen Seestadt Aspern, entlang, nach Norden. Vielen Menschen, die in diesen Bereichen wohnen, haben sich sehr stark gegen das Projekt gewehrt und eine Verlegung nach Osten an den Stadtrand gefordert. Die ASFINAG hat daraufhin selbst betont, dass eine Autobahn so weit außen nur wenig „Entlastungswirkung“ auf den Bereich der Südosttangente (Gewerbegebiet Kagran/Hirschstetten, Praterbrücke, etc.) haben würde, weil die Fahrt „außen um die Stadt herum“ für viele Autofahrer ein Umweg sei. Außerdem, betonte die ASFINAG damals, sei der geologische Untergrund zwischen Schwechat und Groß Enzersdorf außerordentlich problematisch. Dort gibt es einen Bruch in den geologischen Schichten. Seit zehntausenden von Jahren sacken dort riesige Gesteinspakete an einer Bruchlinie in die Tiefe, mit einer geologisch gesehen beachtlichen Geschwindigkeit von mehreren Millimetern oder Zentimetern pro Jahr. Geologen sprechen dort vom sogenannten „Schwechater Tief“, einer 6 Kilometer tiefen „Verwerfung“ der Gesteinsschichten, die sich wie erwähnt ständig bewegt. Dies kann Verformungen oder Risse in einem Tunnelbauwerk bewirken und wegen dieser Probleme überdies den Bau massiv verteuern.

https://de.wikipedia.org/wiki/Leopoldsdorfer_Bruch

Die Bedenken der ASFINAG wurden allerdings „weggewischt“, als der damalige Bürgermeister Häupl festgelegt hat, man werde die beiden Tunnelröhren weiter außen am Stadtrand zwischen Schwechat (also dem „Schwechater Tief“) und Großenzersdorf bauen. Seither spricht die ASFINAG nicht mehr über die eigenen Bedenken gegen diesen Autobahnverlauf.

 

Mythos „Der Autobahnring rund um Wien wird doch gebaut, weil dies für die Wienerinnen und Wiener irgendwie einen Nutzen bringen soll, Entlastung oder irgendwas für die Wirtschaft oder so?“

Falsch.

Auswirkungen würde eine Lobauautobahn beispielsweise auf den Transitverkehr haben, weil die Kolonnen an LKW-Straßentransporten eine „attraktive“ neue Route quer durch Europa bekommen. Der LKW-Transitverkehr vom Norden (Baltikum, Skandinavien) in Richtung Mittelmeer lief früher zu einem größeren Teil über die Autobahn von Brünn durch die Slowakei nach Bratislava und weiter über Ungarn nach Süden und Südosten. Das Amt der Niederösterreichischen Landesregierung warnte einst in einer öffentlichen Studie, dass der Bau der Nordautobahn A5 von Brünn nach Wien, sowie die Verlängerung über die S1 („Lobauautobahn“, hieß damals noch anders), problematisch sei, weil dann ein beträchtlicher Teil des Transitverkehrs nach Österreich gezogen würde. Als sich aber die Politik, Erwin Pröll, Michael Häupl, Bundespolitiker usw. für den Bau all dieser Autobahnen entschieden, verschwand die erwähnte Studie der Experten plötzlich aus dem Internet.

Die EU hat im Programm der Trans-Europäischen Netze diverse Routen für Autobahnen und Hochgeschwindigkeitszüge ausformuliert, wo eine Autobahnroute auch vom Baltikum über Wien (Lobautunnel) zum Mittelmeer führen würde.

Auf der jetzigen A23 samt Praterbrücke ist jedoch nur ein gewisser Teil des Verkehrs ein echter Transit (also Durchfahrt durch Österreich). Ein deutlich größerer Teil sind PKWs von Pendlern zur Arbeit nach Wien, weil die Wirtschaftsbetriebe nicht mehr wie früher über Österreich verteilt sind, sondern sich als größere und große Konzerne in den Ballungsgebieten konzentrieren. Die Autobahnen bewirken nicht, dass man schneller am Arbeitsplatz ist, sondern (wie Prof. Knoflacher immer wieder betont) dass den Arbeitssuchenden immer weitere tägliche Pendlerstrecken zugemutet werden. Die Autobahnen verstärken auch den Trend, dass ländliche Gebiete wirtschaftlich veröden und Großbetriebe und Großkonzerne sich nur mehr in Ballungsgebieten und entlang der Autobahnen ansiedeln. Eisenbahnstrecken, insbesondere die Seitenstrecken, werden dadurch unrentabler, und im seit den 1990er Jahren kapitalistisch geprägten System der ÖBB („Bundesländer müssen den regionalen Verkehr bestellen und bezahlen“) kommt es immer mehr zu Stilllegungen von Bahnstrecken. Im Nordosten von Österreich wurden zwar etliche Autobahnen gebaut (A5 Nordautobahn, S1 Nord), aber gleichzeitig zwischen 1988 und 2019 zahllose Bahnstrecken stillgelegt. Auf den noch verbliebenen Bahnstrecken wird der Güterverkehr reduziert, insbesondere Waggons mit kleineren Mengen an Gütern. Auch die früher noch häufigen „Rübenzüge“ (Zuckerrüben aus dem Marchfeld) wurden vor einigen Jahren weitgehend auf Lastwagen umgestellt. Erst kürzlich (etwa 2019) wurde der Personenverkehr im Nordosten von Wien bzw. nordwestlich von Gänserndorf im südlichen Weinviertel (Bereich Groß Schweinbarth) komplett stillgelegt - noch vor einigen Jahren gab es dort einen erfolgreichen Halbstundentakt.

Die Lobauautobahn soll einen großen Autobahnknoten zwischen Raasdorf und Süßenbrunn haben, wo eine Autobahnabzweigung nach Bratislava geplant ist. („S8 Marchfeldschnellstraße“)

Verkauft wurde es der Bevölkerung als „größere Ortsumfahrungen“ zur „Entlastung“, allerdings zeigen die Pläne, dass neben der ersten Autobahn nach Bratislava südlich der Donau („Spange Kittsee“) nun eine zweite Autobahn nach Bratislava kommen soll. Vorerst soll sie in Untersiebenbrunn enden, wo sie direkt neben dem faszinierenden Naturschutzgebiet „Wacholderheide Untersiebenbrunn“ verlaufen soll und Lärm und Schadstoffe in dieses Gebiet bringen würde. Überdies würde sie Lebensräume eines extrem seltenen gefährdeten Vogels, des Triel, zerstören.

Völlig unklar ist, wie diese Marchfeldautobahn dann bei Marchegg den Fluss March queren würde. Dort gibts ein Naturschutzgebiet, entweder würde ein sehr teurer Tunnel nötig sein, oder eine Autobahnbrücke quer durch das Naturschutzgebiet. Durch den ersten Autobahnteil bis Untersiebenbrunn sollen offenbar Fakten geschaffen werden.

Parallel zur Strecke dieser geplanten Marchfeldautobahn gibts übrigens eine Bahnstrecke, die vom Hauptbahnhof Wien direkt zum Hauptbahnhof Bratislava führt. Es ist derzeit die einzige Bahnstrecke zwischen diesen beiden Bahnhöfen. Und man staune: Rund 30 Jahre (!) nach dem Fall des Eisernen Vorhangs ist diese Bahnlinie auf fast der gesamten Länge noch immer EINGLEISIG und ist noch immer NICHT ELEKTRIFIZIERT. Güterzüge, Regionalzüge und Schnellzüge müssen in einem mühsamen komplizierten Verfahren in bestimmten Bahnhöfen warten, damit überholende Züge oder entgegen kommende Züge aneinander vorbei gelangen können. Es gibt Ausbaupläne, diese schleppen sich jedoch sehr sehr sehr langsam dahin.

Nur zwischen dem Hauptbahnhof Wien und der Seestadt Aspern ist inzwischen mit jahrelanger Verzögerung ein zweigleisiger Schnellbahnbetrieb möglich, wobei die Frequenz der Züge (pro Stunde etwa 2 Schnellbahnen und 2 Regionalzüge) noch sehr zu wünschen übrig lässt.

Eigentlich gab es in den 1990er Jahren sinnvolle Pläne im Bereich Prater und Ostbahn-Donaubrücke die Strecke viergleisig auszubauen, zwei Gleise für den langsamen Schnellbahnverkehr, zwei Gleise für Fernzüge und Güterzüge. Im Prater sieht man am sehr breiten Damm, dass man daran bereits gearbeitet hatte, als die Donaubrücke wegen des Kraftwerks Freudenau ca 1995 gehoben wurde. Das Projekt wurde jedoch verworfen, stattdessen kam einige Jahre später dann die Lobauautobahn (damals noch Projekt B 305) ins Visier der Politiker, jenes Projekt, das erstmals in der Nazi-Zeit als „Reichsautobahn-Projekt“ in die Landkarten jener Gegend eingezeichnet wurde.

Anstatt die Schnellbahn (also die Linie S 80) in den Bereich Hirschstetten, Hausfeldstraße, Seestadt Aspern zu verbessern - genau jene Linie, die in etwa auch parallel zur Trasse einer Lobauautobahn verläuft - haben die ÖBB mit Zustimmung der Politik sogar Teile dieser Verbindung verschlechtert. Irgendwann hat ein Ministerium beschlossen, dass alle Bahnsteige behindertengerecht sein müssten. Die Haltestelle Lobau (ideal für Fußgänger und für Radfahrer, die vom Süden Wiens ihr Rad zur Lobau mitnehmen wollen) entsprach den neuen Vorgaben nicht, man hätte die Bahnsteige erhöhen müssen, damit die (in dieser Wohnsiedlung relativ wenigen) Rollstuhlfahrer niveaugleich in die Schnellbahn einsteigen können. Bisher mussten Rollstuhlfahrer etwa einen Kilometer weiter fahren, um in Stadlau niveaugleich einzusteigen. Die ÖBB kam aber auf die Idee, die Haltestelle Lobau einfach stillzulegen. Man ersparte sich den Umbau, und die Bahnsteige einer nicht mehr existierenden Station widersprachen nicht mehr den Barrierefreiheits-Vorgaben, weil es keine Bahnsteige mehr gab. Den Rollstuhlfahrern oder Müttern mit Kinderwägen brachte dies zwar nix, weil sie weiterhin den Kilometer bis zur Station Stadlau fahren müssen, aber die Gesetze waren nun erfüllt.

Ähnliches bei der Haltestelle Hausfeldstraße, wo es sehr große bestehende Wohngebiete gibt, und wo auch große Neubau-Siedlungen geplant sind. Die Stadt Wien hat extra die Straßenbahnlinie 26 dorthin verlängert, und auch die U2 bekam dort eine Station. Die ÖBB hätte die Station im Rahmen des zweigleisigen Ausbaues umbauen (de facto neu bauen) müssen, beschloss aber, die Station einfach aufzulassen. Die vielen Personen, die in jenem Einzugsgebiet wohnen, müssen also, wenn sie in den Süden Wiens wollen, mit der Straßenbahn 26 zur U2 fahren, mit der U2 nach Stadlau, und in Stadlau dann nochmals umsteigen in die Schnellbahn S80 Richtung Hauptbahnhof oder Meidling, Liesing.

Die Schnellbahnlinie S 80 vom Bereich Seestadt (bzw. Bahnstrecke von Bratislava, Marchegg kommend) führt zum Hauptbahnhof und weiter Richtung Meidling, Liesing. Sie entspricht damit am ehesten der Pendlerroute für Autos auf der Südosttangente - viel mehr als die U2, die vom Bereich Seestadt zu Anknüpfungspunkten in den Nordwesten Wiens führt (Praterstern, Schottenring, Schottentor). Wenn man also die staugeplagte Südosttangente entlasten will, wo tausende Pendler sich täglich in die Stadt und wieder hinaus wälzen, wäre eine Ertüchtigung der S80 Strecke schon in den 1990er Jahren längst sinnvoll gewesen, und auch deutlich preisgünstiger als der Bau der relativ teuren U2. Die Baukonzerne, die am teuren U-Bahn-Bau gut verdienen, haben jedoch einen guten Konnex zur Politik. Somit passierte bei der S80 lange Jahre nichts, und auch jetzt ist kein 10- oder 15-Minuten-Takt vorhanden, sondern wie erwähnt 2 Schnellbahnen pro Stunde, plus 2 Regionalzüge. Dies liegt einerseits daran, dass sich Stadt Wien, ÖBB, Republik und Land NÖ um die Finanzierung eines engeren Taktes streiten. Andererseits rächt sich nun, dass man den Plan der 1990er Jahre, die Strecke von Simmering durch den Prater über die Donau bis in die Donaustadt viergleisig auszubauen, abgeblasen hat. Es gibt nun nämlich schlichtweg zu wenig Platz für das komplexe Geflecht aus Güterzügen, Schnellbahnen, Regionalzügen und Schnellzügen, die mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten und Haltebahnhöfen unterwegs sind. Wenn also Politiker aus roter, schwarz-türkiser, blauer und auch NEOS-Fraktion für irgendeine Art von Lobauautobahn sind (manche, etwa die NEOS, sind für Brücken oder andere Trassenführungen), weil die Südosttangente ach so überlastet sei, dann sei darauf hingewiesen, dass all diese Parteien genau nichts getan haben, um die in etwa parallel verlaufende Eisenbahnverbindung (S80) so zu ertüchtigen, dass sie einen dichten Taktverkehr hat und auch Güterverkehr genug Platz findet.

Die Grünen waren bis zum Koalitionsbeginn in der Wiener Stadtregierung offen und laut als Gegner dieser Autobahnen aktiv. Während der rot-günen zehnjährigen Koalition in der Stadtregierung ist das Thema Lobauautobahn weitgehend von den Webseiten der Grünen verschwunden, es liefen über viele viele Jahre die Behördenverfahren, wobei der Kampf gegen die oft fragwürdigen Gutachten leider den Bürgerinitiativen überlassen wurde, die große Anstrengungen auf sich nehmen mussten. Die Angst mancher Grüner vor einem Stirnrunzeln des größeren Koalitionspartners (also Häupl) war so groß, dass Maria Vassilakou sich sogar dazu hinreißen ließ, im 139-seitigen Koalitionsabkommen ganz vorne auf Seite 9 unter der Überschrift „Lebensqualität durch intelligente Mobilität“ gemeinsam zu verkünden: „Wien bekennt sich zur Notwendigkeit einer sechsten Donauquerung“. Dabei ist eine Straßen-, also Autobahnquerung von Donau und Lobau gemeint, de facto also der Lobautunnel.

https://www.wien.gv.at/politik/strategien-konzepte/regierungsuebereinkommen-2015/pdf/regierungsuebereinkommen-2015.pdf   (Seite 9)

Diesen Kniefall der Grünen vor dem großen Koalitionspartner SPÖ haben viele Grünwähler ihrer Partei extrem übel genommen.

Noch schlimmer war das Einknicken der Grünen hinsichtlich der sogenannten „Stadtstraße Hirschstetten“. Ursprünglich wollte die Stadt Wien (noch unter der roten Alleinregierung) die Südosttangente A23 in einem Bogen vierspurig nach Hirschstetten weiterführen (dort allenfalls einen Autobahntunnel) und dann vierspurig weiter zur Seestadt, mit Fortsetzung zum Knoten bei der Lobauautobahn. Die Grünen haben in der Oppositionszeit erklärt, dass eine „normale“ Aufschließungsstraße (damals als B3d bezeichnet), ein Fahrstreifen pro Richtung, normale Kreuzungen mit Ampeln, ausreicht, und stattdessen die Öffis, beispielsweise die Trasse der S80, massiv ertüchtigt werden sollte. Während der Koalition wurde das Projekt immerhin ein wenig modifiziert, Vassilakou sprach plötzlich von einer sogenannten „Stadtstraße“, wo zunächst niemand genau wusste, was das sein sollte. Einige sprachen von einem Fahrstreifen in jede Richtung (warum dann aber ein neuer Name „Stadtstraße“?), andere von zwei Fahrstreifen pro Richtung. Als im Gemeinderat die Flächenwidmung für das Verkehrsband der „Stadtstraße“ angestanden ist, akzeptierten die Grünen plötzlich, dass ein Flächenband für eine insgesamt vierspurige Trasse (zwei Fahrstreifen pro Richtung) wie für eine Stadtautobahn gewidmet wurde - nur dass man halt eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 50 km/h plante. Eine Langsamfahr-Autobahn sozusagen, so gut wie ampelfrei. Mit einem teuren Tunnel, mit einer Tunneleinfahrt unweit der idyllischen Blumengärten Hirschstetten, die künftig wohl weniger idyllisch sein würden. In der selben Gemeinderatssitzung (25.3.2015) stimmte die SPÖ (gemeinsam mit den Grünen, also als Mehrheit) dafür, dass die grün dominierte Institution „Mobilitätsagentur“ den stattlichen Betrag von 13 Millionen Euro für 5 weitere Jahre bewilligt bekam. Ein Schelm, wer da Böses denkt.

https://www.wien.gv.at/mdb/gr/2015/gr-065-w-2015-03-25.pdf

zB Seite 23ff., besonders auch Seite 26, links oben (ob 2 oder 4-spurig!!!).

Hier kam es (wie öfters) zu einem Splitting zwischen Bezirksgrünen (strikt gegen die Stadtstraße als 4-spurige „Langsamautobahn“) und den Rathausgrünen (offiziell für das Projekt).

Die konsequenteste Haltung gegen das Netzwerk an Autobahnen zeigte sich eigentlich bei der Donaustädter KPÖ, die allerdings keine Bezirksräte stellt.

 

Wichtiges Thema „Kostenexplosion“:

Bei den meisten Großprojekten gibt es massive Kostenüberschreitungen. Nun gibt es in Wien höchstwahrscheinlich mehr Erfahrung beim Bau von Spitälern als von sehr langen Tunneln unter der Donau. Trotzdem sind die Kosten beim Bau des AKH und beim Bau des Krankenhauses Nord geradezu explodiert. Bei der Planung der vergleichsweise eher simplen „Stadtstraße“ haben sich die Kosten bereits während des Planungsvorgangs vervielfacht (!!!), obwohl dort nur ein einigermaßen einfach herzustellender Tunnel errichtet werden muss, und der Rest der „Langsam-Autobahn“ an der Oberfläche verläuft.

https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20210415_OTS0037/virus-klimaschaedliche-stadtstrasse-aspern-wird-zum-fass-ohne-boden

https://www.derstandard.at/story/2000125882180/wiener-stadtstrasse-um-143-millionen-euro-teurer-als-noch-2016

https://www.oe24.at/oesterreich/chronik/wien/stadtstrasse-wirbel-um-projekt-in-aspern/473875234

http://www.aktion21.at/_data/Hirschstetten-Praesentation-Stadtstrasse.pdf

 

Von Kostenexplosionen sprach man schon 2009, als noch eine durchgehende Autobahn statt der „Stadtstraße“ geplant war:

https://wiev1.orf.at/stories/404459

 

Die beiden gigantischen 9 Kilometer langen Autobahnröhren mit 14 Metern Durchmesser, samt den superteuren Querverbindungsstollen, in einem geologisch extrem schwierigen Gebiet, mit Durchbrechung der Verseuchung unter dem Tanklager Lobau, einer viele Jahre dauernden Bauzeit tief unter der Donau im Grundwasser, an der sich ständig bewegenden geologischen Bruchlinie beim „Schwechater Tief“, bei diesem Projekt ist eine gigantische Kostenexplosion so gut wie vorprogrammiert. Wenn diese Kosten (langfristige Bankkredite) schlagend werden, sind die jetzt verantwortlichen Politiker längst in Pension und wissen, dass niemand sie zur Verantwortung ziehen wird. Unsere Kinder und Enkel können dann noch sehr sehr lange zahlen, falls dieses Projekt wirklich gebaut wird.

 

Wie ist der Stand der Dinge juristisch?

Es gibt noch einige ungeklärte Dinge im Behördenverfahren. Diese betreffen primär den Lobautunnel selbst, wo noch Einsprüche laufen. Auch bei der Marchfeldautobahn Richtung Bratislava gibt es Einsprüche, die u.a. den oben erwähnten seltenen Vogel Triel betreffen.

Nachdem all diese Autobahnprojekte aber Projekte des Staates (der Republik) sind, mit großer Mitsprache von Wien und Niederösterreich, könnte man auf politischem Weg jederzeit die Notbremse ziehen. (Bei einem privaten Projekt, wie etwa dem Heumarkt-Hochhaus, ist eine politische Einflussnahme nach erfolgter behördlicher Bewilligung deutlich schwieriger.)

Da das Projekt wie erwähnt im Bundesstraßengesetz von 1971 in der geltenden novellierten Fassung enthalten ist

https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10011428

siehe hinten, Verzeichnis 2

S1 Wiener Außenring Schnellstraße

müsste man auf politischer Ebene (Infrastrukturministerin Gewessler, Grüne) eine Art „Evaluierung“ der geplanten Bauprojekte in Angriff nehmen. Da die ÖVP der grünen Infrastrukturministerin einen Hardliner als Staatssekretär und Aufpasser ins Ministerium gesetzt hat (Magnus Brunner), ist die Sache aber nicht einfach, da die ÖVP und mit ihr die Baulobby auf dem Bau all dieser Autobahnen bestehen werden.

Umgekehrt haben die Grünen es bei den Koalitionsverhandlungen nicht geschafft, einen grünen Staatssekretär ins mächtige Finanzministerium von Blümel hineinzureklamieren. Für die ASFINAG-Bauprojekte ist zwar nicht das Finanzministerium zuständig, sehr wohl aber für viele Öffi-Infrastrukturprojekte mit Bundesbeteiligung.

Falls es wirklich zu einem Baubeginn für die Lobauautobahn kommen wird, wäre der Spatenstich wohl eine äußerst eigenartige Sache:

Da würde die (grüne) Infrastrukturministerin Gewessler den Spaten schwingen. Sie war von 2014 bis 2019 Geschäftsführerin von Global 2000, eine Organisation, die sich am Kampf gegen die Lobauautobahn zeitweise mit einem gewissen Einsatz beteiligt hat, wenn es auch zuweilen Differenzen bzgl der Strategie gab, siehe zB

 https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/chronik/oesterreich/278662_Lobau-Besetzer-zur-Aufgabe-bewogen.html

Gemeinsam mit Gewessler würde vermutlich die (rote) Wiener Stadträtin für Stadtplanung und Mobilität, Ulli Sima, am Spatenstich teilnehmen. Sie studierte nicht nur Biologie, sondern war von 1995 bis 1999 ebenfalls „führende Mitarbeiterin bei Global 2000“.

Eindrucksvoll ist jedenfalls der lange Atem mehrerer Bürgerinitiativen, die schon seit etwa 2003 das geplante monströse Netzwerk aus Autobahnen bekämpfen.

Bei diesem Interview aus dem Jahr 2004 (!) beispielsweise

https://www.oekonews.at/?mdoc_id=1005799

hätten sich zB die Leute der BI „Rettet die Lobau“, die im obersten Bild zu sehen sind, kaum gedacht, dass durch den engagierten Einsatz dieser Bürgerinitiativen (es sind mehrere) die ASFINAG rund 17 Jahre später, im Jahr 2021, noch immer keinen Baubeginn schaffen würde, obwohl der Baubeginn ursprünglich für etwa 2009 und dann 2011 vorgesehen war.

 

Ein spannendes Thema, und auch ein sehr wichtiges Thema, wäre zuletzt noch der schauerliche Umgang mit dem Rechtsstaat im Bewilligungsverfahren, fragwürdige Gutachten, fragwürdige (lückenhafte und einseitige) Protokolle. Das würde aber hier und jetzt zu weit führen, weil ein sehr umfangreiches Thema.

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