Pendler und Donaustädter

Diskussion mit einem Freund, der das Verkehrsproblem in Transdanubien beklagt

Zum Argument, dass der Bau der S1 von Schwechat nach Süßenbrunn das Verkehrsaufkommen erhöht:

Die ASFINAG sagt das selbst. Mit S1 gibt es im Nordosten Wiens wesentlich mehr Gesamtverkehrsaufkommen als ohne S1. Es gibt ein paar Bereiche, wo es eine leichte Entlastung (oder eine geringere Steigerung des Verkehrs) gibt, wenn die S1 gebaut wird – das stimmt. Es gibt andere Bereiche, Straßenzüge, Wohngebiete, wo sich der Verkehr massiv verstärkt, ebenso Lärm und Luftschadstoffe. Auch das sagt die ASFINAG selber. Ich hab die ganzen Prognosen mit Verkehrszahlen pro Tag gesehen, in verschiedenen Varianten.

Wenn wir uns ein ganz ähnliches Beispiel anschauen, die A23 zwischen Knoten zur A4 und Vösendorf. In einer Zeitung aus den 1980er Jahren, die mir kürzlich in die Hand kam, stand als Hauptschlagzeile: "Stauchaos auf der Südosttangente, Spannungen in der Regierungskoalition". Könnte also genauso von heute sein. Nun, einst hieß es vollmundig von der ASFINAG, wenn erstmal die S1 Südumfahrung von Vösendorf nach Rannersdorf/Schwechat fertig ist, gibts keinen Stau mehr auf der A23, die werde dann nämlich entlastet. Nie mehr Stau auf der A23. Was ist passiert? Kaum eine Entlastung, der Gesamtverkehr ist einfach gestiegen.

Außerdem: Wer vom Süden in den 3. Bezirk will, fährt keinen Umweg über Schwechat. Genau dies hat auch die ASFINAG jahrelang gepredigt: Für die Pendler ist die Lobauautobahn wegen der weit außen liegenden Trasse nur bedingt attraktiv, es wird auf der A23 weiterhin Stau geben. (Die ASFINAG wollte eigentlich eine Trasse im Bereich Biberhaufenweg und entlang der Seestadt haben, die damals noch Flugfeld Aspern hieß.)

Wie gesagt: Die LKW-Kolonnen und Staus auf der A23 zwischen Knoten A4 und Vösendorf, die Sie im Mail ansprechen, sollten laut ASFINAG eigentlich weg sein, weil es die "verlängerte Lobauautobahn" in diesem Bereich ja schon gibt, als S1 Südumfahrung. Nutzt aber nix. Genau das Problem werden wir haben, wenn wir die vielen Milliarden für die beiden Lobautunnel "verpulvert" haben. Milliarden, die uns im Sozialbereich fehlen werden. (Das Geld der ASFINAG ist ja das Geld der Steuerzahler, bzw. der Autofahrer.)

Zum Fernhandel: Ich hab da nicht die aktuellen Zahlen, aber in der frühen Planungsphase der S1 war es jedenfalls so, dass der echte Transit (durch Österreich durch, bzw. an Wien vorbei) nur einen einstelligen Anteil (vom KFZ-Verkehr? vom LKW-Verkehr? bin nicht sicher, auswendig ohne nachzusehen) darstellte. Ein sehr großer Teil der LKW-Kolonnen auf der A23 ist Start- oder Ziel-Verkehr aus bzw. nach Wien.

Vor dem Bau der A5 Nordautobahn haben Experten der NÖ Landesregierung gewarnt (!), dass die A5 den Transitverkehr von der Route über Brünn und Bratislava gewissermaßen rüberziehen werde nach NÖ und in den Raum Wien. Das ist dann auch passiert.

Wenn jetzt noch die S8 (Autobahn Marchfeld nach Bratislava) kommt, erzeugen wir noch mehr LKW-Chaos. Es stimmt, dass "attraktive" Autobahnen dazu verleiten, Fracht per billigem LKW zu transportieren, bzw. dass Pendler bis in die Stadt reinfahren.

Nach der weitgehenden Zerstörung des Einzelwagen-Frachtverkehrs auf der Schiene (es gibt ja fast nur mehr Ganzzüge, also Züge mit einem Auftraggeber) ist eine Rückverlagerung des Frachttransports auf die Schiene nicht sehr schnell machbar, derzeit läuft es sogar von der Schiene hin zum LKW. (siehe Altstoff-Sammlung in Wien, geht per LKW nach Graz, oder siehe ÖBB (bzw. Rail Cargo), die ist (oder war jedenfalls vor einigen Jahren) der größte LKW(!)-Frachttransporteur Österreichs).

Wo aber eine Änderung möglich ist, ist der Pendlerverkehr. Wenn die skandalösen Zustände im Öffiverkehr rund um Wien (zB Hauptstrecke nach Bratislava eingleisig und nicht elektrifiziert, zB Bahnstrecke parallel zur A5 eingleisig, Gleis über die Grenze fehlt trotz Fall des Eisernen Vorhangs, usw usw usw) endlich beseitigt würden, könnten jene, die für die Arbeit oder für manche Freizeitnutzungen (Weinviertelausflug, wo es kaum Busse oder Züge gibt) das Auto nützen wollen, weitgehend ohne Stau fahren, weil ein beträchtlicher Teil der Tagespendler schon weit draußen, zB in Gänserndorf, Straßhof, Raasdorf oder sonstwo auf einen dichten Takt an Öffis umsteigen könnte. Nicht muss, aber kann.

Der Irrglaube ist ja, dass die S1 für die LKW-Transitkolonnen gebaut werde. Es werden dort, so wie auf der A23, Tagespendler und LKW mit Start/Ziel Wien fahren. Zwar nur bedingt, weil für viele Routen ein lästiger Umweg, aber eben doch. Und warum folgt die Planung der S1 fast genau sämtlichen scharfen Knicks der Landesgrenze Wien-NÖ? Weil sich Wien und NÖ die Kommunalsteuern für die Gewerbeparks und Einkaufszentren teilen wollen, die dann dort draußen im Niemandsland, auf fruchtbarem Ackerboden, entstehen, während durch die Billigkonkurrenz die Ortskerne im 22. absterben und massiv Verkehr erzeugt wird.

Und auch die von Ihnen angesprochenen Abgase von der A23 wird es weiter geben. Da laut ASFINAG mit S1 insgesamt mehr Verkehr sein wird als ohne S1, wird es auch insgesamt mehr Schadstoffemissionen geben. Wie alles im Leben ist es bissl komplexer, als ich es hier in ein paar Sätzen hingeschrieben hab, die Fahrgeschwindigkeit und die Stauhäufigkeit spielen natürlich in die Prognose rein, ebenso der Ort der Schadstoffentstehung. Jedoch sind die Nanopartikel der KFZ-Abgase mit krebserregenden Polyaromaten so klein, dass sie tagelang in der Luft schweben und weit verbreitet werden, und eben auch tief in die Lunge rein gehen. Durch das lange Schweben nützt es nicht sehr viel, wenn die Autobahn "bissl weiter draußen" ist, das Zeug verbreitet sich über riesige Gebiete, auch wenn die Konzentration dicht an den Quellen am größten ist.

Zuletzt noch der irgendwann kommende schwere Auffahrunfall einer PKW-Kolonne im Tunnel auf einen LKW, wenn letzterer beim Knick zur Steigung langsamer wird. Irgendwann wird es - leider - wohl auch hier im Tunnel zu einem Großbrand kommen, wie im Gotthard und Tauerntunnel oder wie bei Rannersdorf. Wenn Willy Matzke, der Tunnelexperte vom ÖAMTC, das Projekt wörtlich als Todesfalle bezeichnet, dann ist das kein "linksgrüner Autogegner" oder irgendwas in der Art, sondern jemand, bei dessen Wortwahl man eigentlich aufhorchen sollte. Die ASFINAG hat ja jeden zweiten Rettungsstollen aus den Planungen gestrichen, um Geld zu sparen.

Sorry für die langen Worte, aber auch wenn wir verschieden über die Sache denken, ist es eine gute Sache, Meinungen auszutauschen.

Übrigens leben fast alle Gründer der Bürgerinitiative gegen die Lobauautobahn (das war 2003) im 22. Bezirk, Jutta M, Günther P, Heinz M, Eva H und einige andere. Etliche von denen arbeiten in Cis-Danubien, also (von der Donaustadt aus gesehen) jenseits der Donau in den Innenbezirken.

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Zwischen leben und PENDELNin transdanubien - was unzählige betrifft -  liegen Welten.  Zweitens ist das Argument, dass sich dann das Verkehrsaufkommen erhöht, mit Verlaub, ein Blödsinn. Das Verkehrsaufkommen im Fernhandel und  Pendelverkehr ist wie es ist, mit oder ohne Lobautunnel!

 

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Übrigens, es leben einige von uns selbst in Transdanubien.

Ja, das Verkehrsproblem muss gelöst werden, aber einfach eine zweite Autobahn löst das nicht sondern erhöht einfach schlicht das Aufkommen.

Hier einige Argumente: /454-argumente-gegen-den-lobautunnel

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Geschätzte Freund*innen und Genoss*innen!

So sehr ich Eure Aktivitäten schätze - die Aktivitäten gegen den Lobautunnel sind kein Umweltschutz, sondern umweltpolitischer Schwachsinn! Das ist keine grüne Politik, sondern höchstens Klientelpolitik. Also das Gegenteil von umweltbewusster Politik. Wer wie wir täglich die Staus auf der Tangente erlebt weiß was da an Gift in die Atmosphäre gepumpt wird, weil der ganze Verkehr, der von Ungarn oder Slowenien, Italien nach Polen oder Tschechien über das Nadelöhr Tangente geführt wird. Was zu täglichen katastrophalen Taus führt. Außerdem führt das zu einer totalen Überlastung der Fahrbahn, was immer wieder zusätzliche Staus bedingt, die wieder eine extreme Abgasbelastung hervorruft. Abgesehen von den lebensqualitätsbehindernden Zeitverlusten von bis zu 1 1/2 Stunden täglich. Und schon ein kleiner Unfall täglich verstärkt die Katastrophe.

Diese Aktionen gegen den Lobautunnel können nur diesseits der Donau Wohnende unterstützen, die keinen Arbeits- oder Lebenszusammenhang auf der anderen Seite haben. Das ist extrem kurzsichtig, engstirnig und umweltfeindlich.

Bitte denkt das noch einmal durch. Ein Lobautunnel mit Umweltauflagen ist die beste Lösung.

Alles Gute für Eure sonstigen Aktivitäten!