In der jüngsten Ausgabe der AK-Mitgliederzeitung (2/18) mit ihrer Millionenauflage findet sich der ambitionierte Artikel „Mehr Schnellbahn, weniger Stau“. (Hier die Langversion auf der Website der Arbeiterkammer.) Das zentrale und völlig richtige Argument: Mit sehr geringen Mitteln von 750 Mio. könnte man das bestehende Netz besser nutzen und das Angebot für den Stadtrand und das Wiener Umland wesentlich verbessern. Zudem wird noch die Verdichtung des Busnetzes als Zubringer gefordert, ebenfalls mit moderaten Kosten. So weit so gut.
Man fragt sich, warum das nicht schon lang passiert ist? Es ist die Stadtregierung, die die Verantwortung dafür tragen muss, dass in einer rapide wachsenden Stadt wertvolle Strecken brachliegen oder kaum genutzt werden.
Doch dann ganz zum Schluss der Hammer, der alles zerstört: „Für den Autoverkehr braucht es eine weitere Querung der Donau. Ein einstimmiges Bekenntnis der Stadtregierung zum Lobautunnel muss kommen.“
Dahinter steht politisch panische Angst vor der FPÖ, die die Autofahrerpartei gibt, nach dem egoistischen Motto „Freie Fahrt für freie Bürger“. Zudem hängen wichtige Teile der SP-Klientel, sowohl der gehobenen als auch der unteren, dieser Ideologie an. Sie wohnen am Stadtrand im Einfamilienhaus und bewegen sich nur per Auto fort – oder zumindest ist das ihr Ideal, denn viele können sich gar kein Auto leisten.
Im Grunde geht es darum, nach welchen Kriterien und Interessen die Stadt entwickelt wird. Soll der öffentliche Verkehr Vorrang haben, oder darf der Autoverkehr nicht behindert werden? Soll es soziale und funktionale Durchmischung geben oder Segregation?
Von außen könnte es so aussehen, als wäre das beim Roten Wien klar. Ist es aber nicht. Natürlich gibt es Ausnahmen und Vorzeigeprojekte wie die Seestadt, aber insgesamt hat die Immobilienwirtschaft und die Autolobby Wien im Griff. Der Lobautunnel ist dazu das beste Beispiel.
Der vorrangige Ausbau der öffentliche Verkehrsmittel könnte die Wachstumsgebiete nördlich der Donau ausreichend versorgen, wenn man zudem städtebaulich dort auch alle anderen urbanen Funktionen ansiedeln würde (Schulen, Konsum, Arbeit, Freizeit). Das Wahnsinnsprojekt der Untertunnelung der Lobau, die den motorisierten Individualverkehr unter dem wichtigsten Naturschutzgebiet der Stadt zu einem guten Teil neu schaffen würde, wäre dann nicht notwendig. Mit den veranschlagten 3 Mrd., in Wirklichkeit wird es viel mehr sein, könnte man für die Öffentlichkeit und insbesondere für die ärmeren Schichten sehr viel mehr erreichen.
Der weit südöstlich donauquerende stiefmütterlichen Linie S80 könnte dabei eine Schlüsselrolle zukommen – darum hat man vorsorglich vor ein paar Jahren gleich die Station Lobau nahe des Entwicklungsgebietes zugesperrt.