Verkehrskonzept für die Donaustadt

1,5 Grad, KFZ-Reduktion und Öffiausbau

Am 02.12.2021 forderte  Wiens Bürgermeister  Michael Ludwig auf der eilig einberufenen Pressekonferenz  anlässlich der Tags zuvor abgesagten Lobauautobahn  durch Bundesministerin Gewessler die Nennung von Alternativen. Alternativen zu der nun wegfallenden Anbindung der Asperner Seestadt an die abgesagte Lobauautobahn S1. Ludwig sieht den weiteren Wohnbau für 60.000 Menschen gefährdet weil die Anbindung an ein höherrangiges Straßennetz nun nicht mehr gegeben ist.

Seltsam nur weil die Seestadt ursprünglich als Autofreie Stadterweiterung angepriesen worden war und mit einer U-Bahnlinie (U2) und möglicher Schnellbahn Anbindung (Marchegger Ostbahn) nun kein alternatives Verkehrskonzept vorhanden wäre?

Um dieser kleingeistigen Auseinandersetzung die diese Absage von Bauprojekten inzwischen angenommen hat zu entkommen gilt es den Blick auf die übergeordneten Anforderungen unserer Zeit zu schärfen.

Österreich  hat sich zu den Klimazielen von Paris bekannt und diese ratifiziert.

Bis 2040 will man Klimaneutralität erreichen. Die Begrenzung auf 1,5 Grad Klimaerwärmung gilt dazu als ausgemachtes Ziel!

Die renommierte Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb regt an von 10 KFZ sieben Stück aus dem Verkehr zu nehmen, weil der Straßenverkehr den größten CO² Emittenten darstellt und zukunftssichere Mobilität nur mit öffentlichen Verkehrsausbau zu bewerkstelligen ist

Somit sind die Parameter identifiziert die nicht nur auch nach dem Aus der Lobau-Autobahn bestimmend sind:

1,5 Grad, KFZ-Reduktion und Öffiausbau!

Zur neoliberalen Prämisse freie Fahrt für freie Bürger bedarf es einer anderen Gewichtung, angesichts der sich anbahnenden Klimakatastrophe. Das Automobil als Inbegriff mobiler Individualität hat einer Mobilität zu weichen, die  klimaneutral, sozial verträglich und an kürzeren Wegen orientiert sein muss. Wo regionale und überregionale Gütertransporte in einem verträglichem Ausmaß gestaltet und vorwiegend auf die Schiene verlagert werden.

Es existieren in der  LobauForum Version 1.01 bereits umfangreiche Beiträge, die wir  im vorliegendem Papier noch erweitern möchte. Beginnend mit einer nochmaligen Betrachtung des Wiener Schmetterlings vom Max Kösselsdorfer aus dem Jahre 2018.

In Wien existiert in den inneren Bezirken ein sehr gut ausgebautes öffentliches Verkehrsnetz. In den Randbezirken verliert dieses durch seine sternförmige Ausrichtung auf das Zentrum an Effizienz, die Querverbindungen speziell in den großen Flächenbezirken sind dadurch weitgehend unerschlossen. Der Wiener Schmetterling bietet hier eine ideale Ergänzung, denn er ist primär tangential ausgerichtet und verbindet 13 der 14 Außenbezirke (10-23) umsteigefrei miteinander. Damit wird erreicht, dass der periphere Verkehr nicht zwingend über das Zentrum geführt wird, was die bestehenden U-Bahnlinien entlastet. Alle 5 U-Bahnlinien (3 mal U1, 2 mal U2, 3 mal U3, 3 mal U4, 3 mal U6) sind mehrfach angebunden, auch die nach und von Wien abgehenden Bahnlinien und die transdanubischen Bezirke finden Anschluß.

Max Kösselsdorfer: „Berlin hat mit der sogenannten Berliner Ringbahn - auch als „Großer Hundekopf“ bezeichnet – bereits ein ähnliches Konzept erfolgreich im Einsatz, wobei täglich mehr als eine halbe Million Fahrgäste transportiert werden. Würde man diese halbe Million Fahrgäste in Autos mit einer Geschwindigkeit von 80 km/h, einem Sicherheitsabstand von 1 sec und einem durchschnittlichen Besetzungsgrad von 1,5 Personen pro Auto transportieren, so ergäbe das eine Kolonne mit einer unglaublichen Länge von über 9.000 km, also fast einem Viertel des Erdumfanges.”

Wiener Schmetterling

 

PS. In einem Wiener U-Bahn-Zug finden rund 900 Fahrgäste Platz. Dafür wären 750 PKW nötig - das entspräche einer Autokolonne von 3 Kilometern Länge. [https://www.wienerlinien.at/die-wiener-%c3%96ffis-in-zahlen]

Der Schnellbahnausbau in dem von uns skizzierten Ausmaß wäre die primäre Alternative zur abgesagten Lobau-Autobahn, die dem Wiener Bürgermeister Ludwig abgeht.

Darüber hinaus gibt es aber noch jede Menge an Vorschlägen und Ideen zu alternativen Verkehr.

Dazu möchten wir weiters anführen:

  • Straßenbahn Ausbau
  • Bus Ausbau
  • Radwege
  • gesetzliche Regelungen
  • Einbeziehung erweiterter Betrachtungen

Straßenbahn Ausbau

Die Gemeinde Wien verkündet stolz den Bau einer neuen Straßenbahn.

Die neugeschaffene Straßenbahnlinie 27 soll ab September 2025 zwischen Strebersdorf und Aspern Nord fahren. Bei genauerer Betrachtung handelt es sich um eine Erweiterung von 6 Haltestellen der bestehenden Linie 26 zum Preis von 96,8 Millionen Euro.

Linie 27

Das Straßenbahn-Kozept der Wiener Grünen geht da schon etwas weiter.

Sie fordern die Erweiterung der Linie 25 bis Aspern Nord über Siegesplatz und durch die Seestadt.

Die neue Linie 27 der GemeindeWien würden sie dann über Berresgasse und Am Heidjöchl bis Aspern Nord auf neuer Strecke führen.

Und angeregt wird eine Linie 22 als Ersatz für den Bus 26A auf der gleichen Strecke von Kagran nach Groß-Enzersdorf und eine Linie 28 von Floridsdorf über die Strecke des Bus 31A und ab dem Kagraner Platz wie der  Bus 24A nach Neuessling.

Bus Ausbau

Die von den Donaustadt Grünen angedachten Expressbus Linien sind geeignet die fehlenden Querverbindungen zwischen den radial verlaufenden Hauptstrecken abdecken zu helfen und könnten ganz rasch umgesetzt werden.

Angedacht wäre:

  • 22E von der S-Bahn und U2-Station Stadlau über die U2 Dlonaustadtbrücke und U1 Kaisermühlen zur U6-Ststion Neue Donau.
  • 26E von Groß-Enzersdorf über die Stationen Siemensstraße, Aderklaaer Str., Rautenweg und Breitenlee Ort bis Hausgeldstraße.
  • 27E von der Invalidensiedlung über neuessling,über die Station Telefonweg und den Ortskern von Essling nach Groß-Enzersdorf.
  • 28E von Bahnhof Süßenbrunn über Breitenlee und die Station Hausfeldstraße zur Station Aspern Nord.

Grunes Verkehrskonzept für die Donaustadt

Radwege

Bei einem alternativen Verkehrskonzept muss dem Rad ein hoher Stellenwert beigemessen werden.

Vor allem ist es notwendig  zwischen KFZ und dem Rad Parität herzustellen um die Attraktivität des Radfahren zu erhöhen. Dazu braucht es passende Radwege.

Wo das nur schwer möglich ist sind Straßen zu adaptieren, rückzubauen um gefahrlose Rad Benützung sicher zu stellen.

Die Verfügbarkeit von E-Scooter und E-Fahrrädern und die Möglichkeit Schwertransporte per

Lastenräder durchführen zu können machen deutlich welch ungeheuerliches Potential in dieser Fortbewegungsmöglichkeit vorhanden ist.

Es gibt dazu unzählige  Ideen und Vorschläge, wie z.B. den Ostpark von Dr. Norbert Mayr.

Die  integrierte Rad-Langstrecke Ost  - Trasse teilweise geführt entlang der umstrittenen „Stadtstraße" und die  Rad-Langstrecke Nord – entlang der Wagramer Straße.

Da die Rad-Langstrecke OST grossteils parallel zu den Bahn-Gleisen liegt und dort ein ausreichendes Platzangebot vorhanden ist, könnte sie schnell umgesetzt werden und mit relativ wenig Aufwand kreuzungsfrei und damit mit hohen Fahrgeschwindigkeiten die Seestadt anbinden.

Radachsen Transdanubien

Die Grünen haben ein ausgearbeitetes Netz an Radschnellwegen vorgelegt das eine Priorisierung der derzeit lückenhaft vorhandenen Radwege ermöglicht.

Mit solchen Verbindungsmöglichkeiten sind maßgebliche Anteile des Verkehrsaufkommen vom Auto auf das Rad möglich, mit sicheren Kreuzungen und baulicher Trennung von KFZ und Fußgängern.

Radwege Transdanubien Grüne

Gesetzliche Regelungen

Ab März 2022 besteht in Wien  flächendeckende Parkraumbewirtschaftung.

Kurzparkzonen und Parkpickerl sollen einen Lenkungseffekt in Richtung weniger KFZ bewirken.
Dazu sind die  Höhe der Kosten des Parkpickerls. 10 EUR pro Monat aber wenig wirksam. Finanzschwache Wiener*innen werden die Zähne zusammen beißen und finanziell besser Gestellte werden die Kosten nicht mal bemerken. Die Parkgebühr sollte im Wesentlichen auch dem Marktpreis der Bodenfläche entsprechen, die ein Abstellplatz eines Autos (6 m² und mehr) beansprucht, damit ersichtlich wird welche versteckte Kosten im ruhenden Verkehr verborgen sind. Durchschnittlich steht ein Auto 23 Stunden pro Tag!

Dann zur flächendeckenden Einführung des Parkpickerls. Macht es doch eine Unterschied ob ich im 1. oder im 22. Bezirk wohne. Das heißt dass bezirksmäßige Flächendeckung in den großen Flächenbezirken, innerhalb des Bezirkes keinerlei Verkehrsreduktion bewirken wird. Ganz im Gegenteil wird es doch interessant von Essling zur U1 in Kagran mit dem Auto zu fahren um dann weiter in die Innenstadt mit der U-Bahn zu fahren.

Die Lösung: Zonen schaffen die sich an der Auslastung, Dichte einzelner Gebiete orientiert.

Der 1. Bezirk wäre dann eine Zone und im 22. Bezirk gäbe es dann z.B. 15 Zonen.

Dann die ca. über 200.000 Pendler im täglichen Berufsverkehr nach Wien!
Wenn Wien und NÖ keine Anstrengungen unternehmen das Pendler Aufkommen über kostenlose ParkAndRide Anlagen in Verbindung mit einer Jahreskarte der WienerLinien zu entschärfen, so drohen ab März 2022 gewaltige Probleme für die Ostregion.

Tempo 30 auf allen den Hauptstraßen untergeordneten Straßen von Wien.

Was in Paris möglich ist kann in Wien nicht stattfinden?

[https://www.rnd.de/panorama/tempo-30-in-paris-gilt-ab-heute-kritik-von-autofahrerlobby-GRNYPBKZNNF4VLYJ7HVAHUQGBI.html]

Paris folgt mit dem Ausbau der 30er-Zone dem Beispiel Spaniens. Das Land hatte im Mai Tempo 30 für alle spanischen Städte ausgerufen.

Hermann Knoflacher macht einen interessanten Vorschlag der ganz rasch umgesetzt werden könnte.

„Die nicht gerade autofeindlichen USA haben das mit den HOV-Lanes (High Occupancy Verhicle Lanes) seit den späten 1970er Jahren zur Dauerlösung eingeführt. Das sind reservierte Fahrspuren auf den Autobahnen, die nur von Privatautos, besetzt mit mindestens drei Personen, benutzt werden dürfen, was streng und mit Konsequenzen kontrolliert wird.”

[https://www.wienerzeitung.at/meinung/gastkommentare/2129909-Die-Alternativen-zum-Lobautunnel.html]

Mit den technischen Überwachungsmöglichkeiten von heute wäre das eigentlich eine Pflichtaufgabe für die Asfinag!

Einbeziehung erweiterter Betrachtungen

  • Über eine Raumplanung in bundespolitischer Hoheit gelänge es die von Egoismen und regionalen Interessen bestimmte Politik auf Grund der in Ländern und Gemeinden angesiedelten Entscheidungsgewalt, nachhaltig zu verbessern und damit auch die Formen der Mobilität mit bestimmen zu können.
  • Verkehr zu vermeiden ist essentieller Bestandteil einer gelingenden Verkehrswende.
  • Gezieltes Reduzieren von Verkehr durch aufheben örtlicher Trennungen zwischen Produktion, Verbrauch, Lebensmittelpunkt und weiteren Bezugsräumen persönlichen Handelns etwa Arbeiten, Freizeit, Soziales, Konsum  entheben uns vor immer weiteren Straßenbau. Die Straßenmeter pro Kopf in Österreich betragen 15 m gegenüber der Schweiz 8,1m  und Deutschland mit 7,9 m! [https://gemeindebund.at/herausforderungen-der-gemeinden-bei-der-raumplanung-ein-vergleich/]
  • Für die KonsumentInnen und Meinungsmache wird von der Autoindustrie werbewirksam an Schrauben gedreht, welche uns zunehmende Umweltverträglichkeit der Automobile durch Fernsehen, Zeitungen und modernen Medien glauben machen sollen. Weniger Treibstoffverbrauch, weniger CO2 Belastung in den Abgasen, mehr an elektrischen Autos [https://science.orf.at/stories/3209701/] sollen die mobile Zukunft des Autos nicht gefährden. Viel Steuergeld wird dafür in falsche Hände gelenkt, damit das Auto, mit welchen Antrieb auch immer, einen weiteren Frühling erleben soll. Dass jedoch der Reifenabrieb bei allen automobilen Fahrzeugen  [https://doi.org/10.1016/j.envpol.2021.118102] schweren Schaden an Umwelt und Gesundheit anrichtet, wird wohlweislich ausgeblendet.
  • Geteilte Mobilität als zukunftsweisende Alternative zu individuellen Autobesitz. Die schon seit den 1990 Jahren existierenden Modelle wie Carsharing oder Sammeltaxi [https://science.orf.at/stories/3208337] geben die Richtung vor in die wir zukünftig denken und handeln sollten. Somit erweitert sich auch das Gesichtsfeld um der globale Gerechtigkeit Gewicht verleihen zu können. [https://www.brot-fuer-die-welt.de/fileadmin/mediapool/blogs/Hilbig_Sven/weniger-autos-mehr-globale-gerechtigkeit-web.pdf]

Version 2.01

Für den vorliegenden Text zeichnet Wolfgang Sigut

Mitarbeiter beim LobauForum