Prof. Ruiss zu "Kulturlockdown", Kunstferne der Regierung & für die Erhöhung des Arbeitslosengeldes
Martin M. Weinberger sprach mit Prof. Gerhard Ruiss über die Folgen des „Kulturlockdowns“ für die Kunst- und Kulturschaffenden, die Kunstferne der Regierenden und die Notwendigkeit, den Druck zur Anhebung des Arbeitslosengeldes massiv zu erhöhen.
Lähmung als Grundstimmung
Der Bereich von Kunst und Kultur ist mit der Gastronomie der am längsten geschlossene Bereich des öffentlichen Lebens, entsprechend herrscht eine gelähmte Grundstimmung (min. 1:10–2:35).
Schlecht ver- und abgesichert
Zwar gibt es Unterstützungen, die das Schlimmste verhindern, aber es gibt kein Modell der Sozialversicherung, das dem Berufsfeld entsprechen würde. Die Versicherung als Neue Selbstständige über die SVS ist eine Notlösung (min. 2:57–5:30).
Warum der Mensch mehr will, als das Mammut erschlagen
Kunst und Kultur sind systemrelevant, bringen Lebensmut, Lebenslust, Lebensfreude, sind elementare Impulsgeber seit den Höhlenmalereien: „Warum will der Mensch mehr als das Mammut erschlagen?“ (min. 6:10–7:25)
Die Kunst- und Kulturferne der Regierenden
Wenn Skilifte offenbleiben, aber die Kunstbetriebe geschlossen werden, zeigt sich eine „große Kunstferne und Kulturferne“ der verantwortlichen Politiker/innen, die keine Ahnung davon haben, dass diese Welt der Kunst überhaupt existiert und welchen Wert sie hat. Das für den Skisport angeführte Argument der sozialen Verträglichkeit ist auf Kunst und Kultur im Speziellen anwendbar (min. 8:00–9:40).
Die Folgen der Krise in langer Sicht – „das Problem des Wiederkehrens“ und der „Hunger nach Begegnung“
Nach dem Lockdown, nach der Krise mit ihrem mental schrecklichen Erleben werden sich die massiven Folgen für Kunst und Kultur besonders bei den wenig abgesicherten Betrieben zeigen, es gibt ein „Problem des Wiederkehrens“. Damit verbunden sind die psychosozialen Folgen, die Gesellschaft wird weltfremder, das Rauskommen aus der Defensive erfordert viel Kraft. Depressionen, Verdrießmut und Kraftlosigkeit – auf der anderen Seite auch ein „Hunger nach Begegnung“, was Hoffnung gibt (min. 10:20–13:55).
Aufsperren – Offenhalten – Angehen der Kulturstrategie
Für die Regierung gibt es jetzt keinen anderen Weg mehr als Aufsperren, für Kunst und Kultur wurde alles ausgereizt, ein weiteres Zuhalten geht nicht mehr, es braucht das gemeinsame Hinausdenken, besonders für den bedrohten Bereich und die freie Szene, die nicht in öffentlicher Hand und von ihr finanziert sind. Es braucht die Frage: Was sind die Nahziele? Schon x-mal wurde die Kulturpolitik [vergeblich] an den Tisch eingeladen, um die im Programm der Regierung postulierte „Kulturstrategie“ zu konkretisieren – denn das „muss keine Überschrift bleiben“ (min. 14:30–17:15).
Keine Erhöhung des Arbeitslosengeldes? Das darf nicht wahr sein!
Die Initiativen zur Erhöhung des Arbeitslosengeldes sind unbedingt unterstützenswert, denn niemand kann zusehen wollen, wie große Teile der Bevölkerung in die Verelendungs- und Armutsfalle gehen. Auch die Kurzarbeit steht für eine katastrophale Lage. Es gibt so viele Leute, die arbeiten können, wollen, aber nicht dürfen, denen die Existenz unter den Füßen weggezogen wird. Es gibt keine Regierungs-Konzepte zur Erhöhung des Arbeitslosengeldes? Das darf nicht wahr sein! (min. 17:45-18:30)
Das ist eine staatliche Aufgabe – Punkt. Aus.
Du musst die Krise individuell aushalten, wird von denen gesagt, die dir auch sagen: „Du darfst jetzt nicht arbeiten.“ Viele wissen nicht, wie sie sich ihre Lebenshaltung leisten können, Miete, Heizung, Essen. Das ist eine staatliche Aufgabe, keine karitative. Es braucht eine Erhöhung. Punkt. Aus. Der Staat hat ja auch dafür gesorgt, dass es die Arbeit nicht gibt (min. 18:30–19:50).
Der blanke Zynismus: „Zudrehn, zudrehn, zudrehn, bis es knirscht, bis es nicht mehr geht“ – viel zu kurzsichtig.
Der neue Arbeitsminister Kocher erteilte der Arbeitslosengelderhöhung gleich eine Absage. Eine Erhöhung würde keinen Anreiz zu arbeiten schaffen. Das ist ein zynisches Argument – wer will denn freiwillig ausgegliedert sein aus der Gesellschaft? Nicht einmal eine temporäre Erhöhung bis zum Ende der Pandemie wird erwogen. Das ist nur mehr der blanke Zynismus. Da gibt es nur mehr die Hoffnung auf alle Initiativen zur Erhöhung des Arbeitslosengeldes, aber da muss sich der Druck massiv erhöhen. Die Regierung folgt einem Konzept von „Zudrehn, zudrehn, zudrehn, bis es knirscht, bis es nicht mehr geht“ – viel zu kurzsichtig (min. 20:20–21:50).
Das ist auch eine Frage des Stolzes. Das kann man sich nicht bieten lassen!
Diese Verweigerung der Erhöhung des Arbeitslosengeldes kann aber auch der Teil einer gezielten Dumping-Politik sein, wo dann die Leute zu niedrigsten Löhnen arbeiten müssen und wesentliche Teile der Bevölkerung auf der Strecke bleiben, wo die Situation benützt wird. Das kann man so nicht hinnehmen. „Ich habe selbst eine Arbeitervergangenheit. Das ist auch eine Frage des Stolzes. Das kann man sich nicht bieten lassen!“ (min. 21:50–22:40)