Presse, 5. Juli 2018:
Zwölf Stunden Arbeit? Steirische SPÖ im Dilemma
Die SPÖ-Abgeordneten lehnten einen KPÖ-Antrag im Landtag gegen die neue Arbeitszeit ab. - Seit Wochen protestiert die SPÖ gegen die Einführung des Zwölf-Stunden-Arbeitstags. Im steirischen Landtag jedoch haben alle SPÖ-Abgeordneten am Dienstag einen KPÖ-Antrag gegen das neue Arbeitszeitgesetz abgelehnt. Der Grund? Offenbar gab es Druck von der ÖVP, mit der die SPÖ im Land regiert. Landesparteichef Michael Schickhofer, der am Samstag noch gegen die neuen Arbeitszeiten demonstriert hatte, verwies auf das Koalitionsabkommen: „Wir müssen die Handlungsfähigkeit der Landesregierung aufrechterhalten.“ Obwohl für die SPÖ ganz klar sei: „Wir positionieren uns gegen den Zwölf-Stunden-Tag.“ Beschlossen werde aber nur, worauf sich SPÖ und ÖVP geeinigt hätten. Norbert Hofer, Regierungskoordinator der FPÖ im Bund, hofft einstweilen, dass die SPÖ ein Volksbegehren zur Arbeitszeit initiiert – weil er mit einer Zustimmung zur Flexibilisierung rechnet: „Ich ersuche die SPÖ dringend, das durchzuführen.“ (red./APA)
Kommentar
Die europäische Sozialdemokratie zerfällt im Moment nahezu überall, nach durchaus erfolgreichen 100 Jahren, die man zu Recht das sozialdemokratische Jahrhundert nannte. In Österreich wurde sie, trotz des katastrophalen Wahlkampfs des Herrn Kern, als Partei noch einmal gerettet, weil Kurz sie in die Opposition drängte. Die steirische SPÖ hat diese Dynamik nicht begriffen. Sie versucht also von sich aus, das zu schaffen, was dem Kurz vorerst nicht gelang. Dazu zwei Bemerkungen:
(1) Sie haben nicht begriffen, dass die FPÖ, die zu verhindern Voves und Konsorten der ÖVP die Führung freiwillig überließen, nur und ausschließlich die Rolle hat, der ÖVP und ihrer Politik die nötige Mehrheit zu verschaffen. Das machen sie also in der Steiermark also nun selbst, damit es die FPÖ nicht macht, und zwar konsequent bis zum bitteren Ende.
(2) Als einzige systeminterne Opposition bleibt der ÖGB übrig. Aber Katzian hat in seiner Schluss-Ansprache bei der Samstag-Demo gezeigt, dass es ihm nur um einen Punkt geht: die Rettung der Sozialpartnerschaft. Das aber ist eine Politik, die Linke gewiss nicht unterstützen können. Aus einer Situation der Defensive und der Schwäche sprechen wir uns heute für den Sozialstaat aus. Aber das ist ein Versuch, den Angriffen der Industriellen-Vereinigung und des ganzen Kapitals eine allgemein verständliche Losung gegenüber zu setzen. Mit Sozialpartnerschaft, der einvernehmlichen Verwaltung einer glatten kapitalistischen Verwertung, hat dies nichts zu tun.
Wir müssen wohl darauf achten, dass diese fundamentale Differenz nicht verloren geht.
Sonst finden wir uns unversehens ganz schnell als Sozialdemokratie wieder.
AFR, 5. Juli 2018