Was wir mit "50% na und" erreichen wollen

Für eine hörbare und aktionsfähige politische Kraft, die für den notwendigen Bruch mit dem neoliberalen Regime steht. Oder: Positionsbestimmung anlässlich der Nationalratswahl im September 2019

Die Vorgeschichte: Dreißig Jahre Neoliberalismus und der Aufstieg der Rechten

Wir fangen nicht von Null an, sondern wir sind Teilnehmer eines langen Kampfes. Darum ist es hilfreich, an die Vorgeschichte zu erinnern. Wir befinden uns bereits am Ende des zweiten Zyklus von Schwarzblau. Schwarzblau wiederum ist eine Form des neoliberalen Regimes, das seit 1987 in Österreich herrscht und von Vranitzky begonnen wurde. Es hat über die längste Zeit die Form der Großen Koalition von Rotschwarz angenommen, was man auch als Zentrums(neo)liberalismus bezeichnen könnte. Den sozialen Niedergang und den politischen Ausschluss, den er zumindest für das unterste Drittel gebracht hat, äußerte sich politisch-parlamentarisch vorwiegend im Aufstieg der FPÖ. Neben den klassisch-reaktionären und chauvinistischen Elementen, operierte die FP auch mit einem Schuss Sozialdemagogie, mit dem sie den Unmut in den unteren Schichten drainagieren konnte.

Sozioökonomisch gesehen war Schwarzblau I im Wesentlichen eine Fortsetzung von Rotschwarz (nicht politisch-kulturell). Dadurch kam es bei der FPÖ zu einer Art Abnutzungseffekt bei den Unterschichten, die ihrer Sozialdemagogie Glauben geschenkt hatten. Haider zog die Bremse und rettete die FPÖ vor der Erdrückung durch die ÖVP (Knittelfeld).

Antischwarzbblau war damals nicht in der Lage diesen Widerspruch innerhalb der FPÖ zu verstehen und auch zu bearbeiten. Sie gingen in die „kulturalistische Falle“ und projizierten einen epischen Kampf auf Leben und Tod gegen rechts, ja gegen einen neuen Faschismus – dort wo es eine volle sozioökonomische Kontinuität gab und für das untere Drittel, wenn es nicht als Feindbild auserkorene Minderheiten angehörte, keine signifikanten sozialen Unterschied. Zwar wurden durchaus soziale Forderungen erhoben, doch fehlten ihnen die Glaubwürdigkeit, denn Rotschwarz war die einzig denkbare Alternative, wenn auch als kleineres Übel.

Soziale Forderungen allein reichen nicht aus, schon gar nicht abstrakte Bekenntnisse gegen den Neoliberalismus als solchen. Um glaubwürdig zu sein, müssen sich diese gegen die Institutionen richten, die Träger dieses System sind: sei es der Zentrumsneoliberalismus (rotschwarz) oder auch der EU-Austeritätsrahmen, mit dem das neoliberale Regime der formaldemokratischen Entscheidungsfindung entzogen wird.

Als negative Folie kann man die EU-Sanktionen gegen Schwarzblau I ansehen. Diese wurden von Antischwarzblau frenetisch begrüßt, vom plebejischen Klientel der FPÖ aber scharf abgelehnt. Letztlich waren sie ein politisches Geschenk an Schüssel und haben sein Kabinett stabilisiert. Die Unterschichten verstehen natürlich, dass die Institution, die als Triebfeder der Konterreform und der Elitenherrschaft dient, nicht der Retter sein kann. Antischwarzblau reduzierte sich zur linkskulturellen, kryptozentrumsliberalen Mittelstandbewegung. Zur Ablösung der Unterschichten von der FPÖ war es weder fähig, noch willens. Die Bewegung stellte sich dem Problem gar nicht, weil die FPÖ unter moralischen Gesichtspunkten gefasst wurde und wird.

Schließlich fiel Österreich wieder in Rotschwarz zurück. Die FP-Regierungsbeteiligung, die die Partei dezimierte, war schnell vergessen und die desaströse politisch-soziale Wirkung des Zentrumsliberalismus trieb der FPÖ wieder die Wähler zu. So bildete sich ein System der Alternanz mit einem Zyklus von rund einem Jahrzehnt.

 

Schwarzblau II

2017 war es dann wieder so weit. Die große Koalition war am Ende. Die ÖVP schwang die neoliberale Peitsche – Reformstau und Stillstand kampagnisierten die Medien. Die passive Verlangsamungstaktik der SP, Neoliberalismus light, kam bei den Unterschichten nicht an. Und dann erfanden die Medien den neoliberalen Messias Kurz, eine Mischung aus Macron und Haider.

Wir fanden uns damals zusammen, um die Grundlage einer politischen Alternative zu schaffen. Dem Kulturkampf zwischen Links- und Rechtsliberalismus, der letztlich zum unbeschadeten Fortbestand des neoliberalen Regimes führt und systemisch geworden ist, wollten wir ein Projekt des Bruchs mit diesem Regime entgegensetzen. Dabei geht es darum eben dieses untere Drittel zu gewinnen und die FPÖ als Spielbein des Systems zu zeigen. Sie ist nicht Gefahr für den Neoliberalismus, sondern sein Epiphänomen, das zu dessen Stabilisierung genutzt wird.

Diese unsägliche Spirale, bei der Schwarzblau wieder zu Rotschwarz (oder eventuell auch zu Schwarzgrün), zurückführt, wollen wir durchbrechen helfen.

 

Demokratisch – sozial – neutral – souverän

Unter diesen Begriffen führten wir Ende September 2017 ein Symposium durch, das die verschiedensten Kräfte zusammenführen sollte. Auf der Basis von mehrheitsfähigen gesellschaftlichen Zielen, die letztlich auch die Eliten für sich in Anspruch nehmen (müssen), soll ein Programm der Verteidigung der Errungenschaften nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelt werden. Soziale Gerechtigkeit, friedliche oder zumindest nicht aggressive Außenpolitik, demokratische Partizipation, nationale Selbstbestimmung gegenüber der großdeutschen Bedrohung in Form des Nazismus und Volkssouveränität.

Das sind keine Wunschträume, sondern ansatzweise war das in der Kreisky-Zeit verwirklicht. Zumindest wird das retrospektiv mit der Ära verbunden, auch wenn es der genauen historisch Prüfung oft nicht standhält. Wichtig ist, dass es sich nicht um entrückte Ziele handelt, sondern um etwas war schon einmal fast erreicht worden war.

Die ökologische Wende muss heute hier noch hinzugefügt werden, denn die war damals nicht dabei (Hainburg).

Nun gilt es darum einen möglichst breiten Verteidigungskampf zu organisieren, zu zeigen, dass die neoliberalen Eliten jedweder Couleur diese Begriffe verraten und dass letztendlich zu dessen Durchsetzung ein Bruch mit diesen Eliten notwendig ist. Das geht in erster Linie über die Mobilisierung von unten.

Wir gründeten das „Personenkomitee Selbstbestimmtes Österreich – demokratisch – sozial – neutral – souverän“ und traten anlässlich der Bildung von Schwarzblau II mit dem Aufruf „Gegen die Regierung der Industriellenvereinigung“ an die Öffentlichkeit.

Der Slogan erschien vielen in der Schlichtheit, Selbstverständlichkeit, ja Unaufgeregtheit als verfehlt oder zumindest als fad. Die linke Mobilisierung lief auf eine Wiederholung des alten Antischwarzblau hinaus. Alles gegen den Rechtsradikalismus, mit der impliziten Entwarnung gegenüber dem Zentrumsliberalismus, der als kleineres Übel erscheinen musste. Doch anders als vor zehn Jahren war die Luft schnell draußen.

Es ging uns einerseits darum, die Regimekontinuität zu zeigen, andererseits mit langem Atem die Abnutzung der FPÖ zu bewirken („Knittelfeld von links“). Spätestens mit der Demo gegen den 12h-Tag war der Slogan „Gegen die Regierung der Industriellenvereinigung“ unter sehr vielen voll verstanden und stellte sich als wirksam heraus.

Doch der Ibiza-Mediencoup stoppte die Abnutzung, die mehr Zeit bedurft hätte. Das konjunkturelle Glück stabilisierte vor allem den Kurz-Höhenflug.

Nun geht es abermals darum, eine politisch-soziale Alternative zu platzieren und zu stärken, so dass sie auch gegenüber den Unterschichten sichtbar und wirksam werden kann.

 

Soziale Aktionen und die notwendige Sprengung des EU-Austeritätsrahmens

Dazu braucht es zweier Bewegungsrichtungen und Aktionsfelder.

Einerseits wollen wir uns an den im Ansatz bestehenden sozialen und gesellschaftlichen Kämpfen beteiligen und sie wo möglich mit initiieren: sei es in der Mietenfrage, bei der Sozialversicherung, gegen den Freihandels-Neokolonialismus und Privatisierungen, Umwelt-Verkehr-Klima, Frieden-Neutralität-gerechtere Weltordnung aber auch gegen Autoritarismus und Entdemokratisierung. Es gibt vieles und die Liste ließe sich beliebig verlängern und nicht alles wird sich bearbeiten lassen. In der Aktionskonferenz im April 2018 in Linz haben wir aus damaliger, konkreter Sicht zusammengefasst, wo wir uns engagieren wollen.

Anderseits (und gleichzeitig) läuft das alles in der Frage der politischen Gestaltung und Lenkung mittels der öffentlichen Ausgaben, also des Budgets zusammen. Es geht darum, den Eliten die Kontrolle zu entreißen, mehr und sinnvollere Investitionen zu tätigen („Bahnausbau statt Schul-PPP und Lobautunnel“). Und das nicht nur zur Reparatur eines immer ungerechteren Systems durch Sozialtransfers, sondern zum direkten Eingreifen mittels Investitionen, sei es in den öffentlichen Verkehr, die Bildung, regionale Entwicklung und auch die Industrie…

Das stößt allerdings immer und grundsätzlich an das Austeritätsdogma, das die Eliten einbetoniert und mittels der EU-Verträge, die Binnenmarktregeln, der Freihandelsverträge, der externen Schiedsgerichte etc. der demokratischen Mitbestimmung entzogen haben – die Globalisierung als exklusive Elitenherrschaft soll als ewig, natürlich, alternativlos erscheinen (Thather: „there is no alternative“ ist das Motto der EU-Kommission). Dagegen machen wir den politischen Aufstand, wissend, dass es einer Art demokratischen Revolution bedürfen wird, um das neoliberale Regime abzuschütteln.

 

Zusammenarbeit und Dialog

Wir wissen, dass es viele Kräfte gibt, die zwar unseren gesellschaftlichen Zielen im Allgemeinen zustimmen, die aber daran glauben, selbst nach der griechischen Katastrophe, dass man die Eliten überzeugen kann, dass SP & Grüne das Potential dazu hätten oder dass man die EU links reformieren könnte.

Das wichtigste ist es einen gemeinsamen Kampf zu organisieren und sich nicht auf die Wahl des kleineren Übels zu beschränken, das uns seit 30 Jahren lähmt und die FPÖ am Leben hält. Im Rahmen dieses Kampfes wollen wir einen Dialog mit den Mitaktivistinnen und Mitaktivisten führen.

Dabei geht es nicht nur darum, sie abstrakt von der Notwendigkeit des Bruchs zu überzeugen, dem die gebildeten, aufgeklärten linksliberalen Mittelschichten so feindlich gegenüberstehen. Sondern es geht auch stark darum, dass man im hier und jetzt, also bevor der Bruch mit den Eliten zur Möglichkeit wird, diesen symbolisch repräsentiert – nein zur Globalisierung, ob von rechts oder links, denn sie kann nur auf die Diktatur des Kapitals hinauslaufen. Nur so kommt man zur Repräsentation der Mehrheit mit dem potentiell radikalen Kern des unteren Drittels.

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