Das Motiv und Grundmuster der Austerität war nichts Anderes als die Um- und Neuverteilung des gesellschaftlichen Reichtums. Der Sozialstaat in der Folge der faschistischen Katastrophe und des Zweiten Weltkriegs hatte die zugespitzte Konzentration dieses Reichtums und diese Ressourcen ganz oben ein wenig aufgelöst und den Mittel- und Unterschichten etwas davon zukommen lassen. Dieser Vergleich mit dem 19. Jahrhundert ist ja der Steckenpferd, auf dem sogenannte Reichtumsforscher wie der Herr Zitelmann oder in Österreich die Agenda Austria reiten und ihre ganze Argumentation aufbauen: Ist eh alles viel besser, der Herr Piketty soll ins Jahr 1913 schauen…
Die bisherige Austerität wurde mit der neoliberalen Wende in den USA und Großbritannien bereits in den 1970ern und im (künftigen) EU-Europa in den 1980ern etabliert und sodann mit Maastricht formalisiert. Aber das war nur eine ganz spezifische Strategie mit den berüchtigten Kennzahlen, den sogenannten Schulden-Kriterien, dem Rückfahren von Budget-Defiziten und dem Abbau von öffentlichen Investitionen ebenso wie der Sozialpolitik – hier hat es ohnehin weniger gut geklappt.
Diese bisherige Austerität fliegt den Eliten nun mit der von ihnen selbst ausgerufenen Corona-Krise um die Ohren. Aber das heißt nicht, dass Austerität als allgemeine Politik erledigt ist! Die bisherige konkrete, historische Strategie war schon bisher ein Riesen-Problem und immer weniger haltbar, weil die Widerstände immer größer wurden. Man musste also eine neue Form, eine neue Strategie der Austerität vorbereiten und aufbauen. Und genau das passiert im Moment.
Wir können die Richtung noch nicht wirklich übersehen und die neue Strategie in ihren Einzelheiten noch nicht erkennen – vor allem, weil sie noch nicht ausformuliert ist. Dass die konsumptiven Leistungen des Staats eingeschränkt werden, halte ich für ausgemacht. Ich vermute, dass man einmal ein wenig experimentieren wird: Was lässt sich machen, was kann man gegen die Bevölkerung durchsetzen?
Die Budget-Kennzahlen und die Schuldenstrategie der bisherigen Austeritäts-Politik sind nicht gar so wichtig. Zwar werden die Dogmatiker, insbesondere auch auf Brüsseler Ebene, mit Zähnen und Klauen darum kämpfen. Aber das mag für viele Ökonomen des mainstreams das Wesentliche sein. Für ihre Auftraggeber ist es dies sicher nicht.
Passen wir auf, dass wir nicht in der Euphorie um das Scheitern der bisherigen Dogmatik es versäumen, die Grundlinien der zukünftigen Austeritäts-Politik rechtzeitig zu identifizieren!