Seit 21. Juni 2017 ist der "Regionale Strukturplan Gesundheit Steiermark 2025 (RSG)" beschlossen. Dieser RSG ist der erste und wesentlichste Schritt der steirischen Landesregierung für eine umfassende Gesundheitsreform in der Steiermark.
Hintergrund für diese Reform ist, dass sich die öffentliche Hand immer schwerer tut, die laufenden Kosten zu finanzieren. Warum aber ist das so? Sehen wir uns die Sache näher an.
Die laufenden Ausgaben für Gesundheit sind, entgegen anderslautender Behauptungen, nicht sonderlich gestiegen. 2000 betrugen diese Kosten (ohne Langzeitpflege) 8,0 Prozent des BIP, 2010 8,6 Prozent des BIP und 2015 8,8 Prozent des BIP. Wobei zwei Prozent dieser Kosten privat finanziert sind.
Dennoch klagen die Politiker immer öfter über die "horrenden" Gesundheitsausgaben in Österreich. Dies hat mehrere Gründe. Zum einen schreibt der EU-Fiskalpakt vor, die Neuverschuldung auf 0,5 Prozent am BIP zu begrenzen. Deshalb wurde eine "Deckelung“ der Gesundheitsausgaben eingeführt, die die Erhöhung der Gesundheitsausgaben auf maximal 3,2 Prozent jährlich begrenzt, eine deutliche Senkung gegenüber dem durchschnittlichen Wachstum der vergangenen Jahre, obwohl angesichts der stark wachsenden älteren Bevölkerung die Anforderungen an den Gesundheitsbereich deutlich steigen. Ebenfalls spielt der private Sektor heute schon in das Gesundheitssystem hinein. So ist es nötig Medizintechnik, medizinisches Verbrauchsmaterial und Pharmazeutika von privaten Unternehmen zu beziehen, die teilweise hohe Gewinne in ihren Preisen enthalten haben. Eine entsprechend engagierte Lobby tut ihr Übriges.
Der RSG sieht daher ein durchaus engagiertes Programm vor. Positiv anzumerken ist:
- Eine abgestufte Notfallversorgung mit flächendeckend optimierter Einbindung einer Telefonärztin bzw. eines Telefonarztes
- Eine Stärkung der Primärversorgung mit 30 Gesundheitszentren bis 2025 (ursprünglich war noch von 100 die Rede)
- Eine interdisziplinäre Bündelung der fachärztlichen ambulanten Leistungen in den Gesundheitszentren
- Die Installierung eines Leitspitals in der Region Liezen
- Die Verbesserung der Hospiz- und Palliativversorgung für Kinder, Jugendliche und Erwachsene (18 Betten zusätzlich und Stärkung der mobilen Versorgung)
Einsparungen und Kürzungen
Dass diese Punkte aber über Lippenbekenntnisse nicht wesentlich hinausgehen dürften, zeigt ein Blick auf verbindliche Aussagen im RSG. Verbindlichkeiten finden sich nämlich nur in Bezug auf Einsparungen und Kürzungen:
- Die Belagsdauer wird reduziert
- 811 Betten werden gestrichen, das bedeutet Schließung von Abteilungen und Spitälern
- Mehrere 24-Stunden-Ambulanzen werden aufgelassen
- Zusätzliche Kassenstellen für Allgemeinmedizinerinnen oder Allgemeinmediziner sind nicht vorgesehen
- Kassenstellen für Kinderärzte werden reduziert (Versorgung jetzt schon mangelhaft)
Wie diese Kürzungen kompensiert werden sollen, ist überhaupt nicht klar. Vorgesehen ist eine Übernahme eines Großteils der Kosten durch den Bund und vor allem durch die Gebietskrankenkassa (GKK). Die GKK zeigt aber derzeit noch keinerlei Bereitschaft, sich diese Kosten an den Hals hängen zu lassen. Von den 30 Gesundheitszentren (ursprünglich 100) sind derzeit nur 11 zu erwarten. Und selbst diese sind nach heutigem Stand keinesfalls ein zufriedenstellender Ersatz. Noch sind sie nicht mehr als Gruppenpraxen. Geschweige denn, dass sie eine Verbesserung gegenüber dem derzeitigen Ambulanzangebot darstellen.
Privatisierungsgefahr nicht gebannt
Bei nicht ausreichender Kompensation der Einsparungen werden sich notwendigerweise Versorgungslücken ergeben. Diese können dann nur noch privat ausgeglichen werden. Die Zahl der Wahlärzte ist jetzt schon seit 2005 von 837 auf 1.258 angestiegen. Das ist eine Steigerung um mehr als 50 Prozent. Privatisierungen zu Gunsten von Investoren und Konzernen sind zwar derzeit noch unterbunden, allerdings stellt eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) eines klar. Eine derartige Unterbindung von Privatisierungen ist nur zulässig, solange eine ausreichende Versorgung gewährleistet ist. Angesichts der sich abzeichnenden Versorgungslücken ist die Gefahr der privaten Übernahmen einzelner Bereiche der Gesundheitsversorgung somit keinesfalls gebannt.
Thomas Pierer
(Dezember 2017) Erstveröffentlichung www.solidarwerkstatt.at
Diese Petition kann hier online unterstützt werden.
Hier ein ausführliches Dossier zur "Deckelung" der Gesundheitsausgaben. Auf Wunsch schicken wir gerne auch einen Informationsfalter mit Unterschriftslisten zu. Bestellung: office@solidarwerkstatt.at