Corona und das Gesundheitssystem

Vom gegenseitigen Ausspielen zusammengehöriger Thematiken

Heutzutage muss man sich wirklich die Frage stellen, ob man überhaupt einen Artikel schreiben sollte, in dem es um das Corona-Virus geht. Denn die Menschen werden ja schon regelrecht damit überflutet.

Aber in diesem Beitrag soll es um eine Sicht auf die Dinge gehen, die kaum oder gar nicht in den Medien vorkommt.

Wenn wir diese Pandemie mit all ihren Maßnahmen und Anstrengungen ins Auge fassen, sollte man – so könnte einem einfallen – zu dem Schluss kommen, das Wichtigste ist jetzt, Geld in die Hand zu nehmen und kräftig in das Gesundheitssystem zu investieren.

Doch interessanter Weise ist das durchaus nicht der Fall. Die Politik hat nichts als lobende Worte und Applaus für die Bediensteten des Gesundheitssystems. Aber an einen Ausbau an Angebot, Lohn oder Personal wird dabei nicht gedacht.

Das Gegenteil ist der Fall. Bis zum heutigen Tage will man sich in der Steirischen Landesregierung nicht von dem geplanten Kürzungspfad, der in dem Regionalen Strukturplan Gesundheit (RSG 2025) vorgezeichnet ist, abbringen lassen. Das hat LRin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) erst kürzlich am 17.11.2020[1] bekannt gegeben.

Im RSG sind unter anderem Folgende Maßnahmen vorgesehen:

  • Streichung von 900 Spitalsbetten
  • Schließung von Abteilungen und Spitalsstandorten
  • Auflassung mehrerer 24-Stunden-Ambulanzen
  • Keine zusätzlichen Kassenstellen
  • Weniger Kassenstellen für Kinderärzte
  • Allgemein weniger Ausgaben

Was derartige strukturelle Kürzungen mit sich bringen, das darf dann bekanntlich das Personal zu spüren bekommen.

Von der Politik würden sich viele auch nichts anderes erwarten. Als irritierend aber erweist sich der sonderbare Umstand, dass scheinbar auch die Bevölkerung nichts von Investitionen und Verbesserunen im Gesundheitswesen wissen will.

Jedenfalls bei den zahlreichen Corona-Demonstrationen, seien sie nun legal oder illegal abgehalten worden, sind sie nirgendwo Thema gewesen. Überhaupt hat es diesen Protestaktionen an jeglichen sozialpolitischen Forderungen gefehlt.

Nicht nur Forderungen für das Gesundheitssystem hat man bei ihnen vergebens gesucht. Auch solche zum Beispiel nach der Erhöhung des Arbeitslosengeldes, der Unterstützung der KMUs, der Stärkung der Gemeinden, oder der Weiterführung der Hacklerregelung sind kein Thema.

Ähnlich sieht es bei der vorgebrachten Kritik aus. Die Proteste der Demonstranten sind dabei allerdings durchaus laut. Die Wut richtet sich gegen die Regierung und die Politik. Dies aber nur in einer relativ abstrakten und unhistorischen Form.

Die bisherige Austeritäts- und Kürzungspolitik wird in keiner Weise angeprangert. Kein Wort etwa über zum Beispiel über den Umstand, dass es 2010 noch 8 572, in Jahr 2019 aber nur mehr 5 933 Intensivbetten gegeben hat.[2] Was einer Reduktion von etwa 30 Prozent entspricht.

Ebenso findet sich weder Kritik an der Senkung von Wohnbeihilfe und Arbeitslosenunterstützung, den Angriffen auf die Pensionen, noch an den ungleichen und unfairen Coronalasten-Beihilfen des Bundes sowie an dem EU-Beihilfenregelungen.[3]

 Stattdessen die reine Protestation gegen die Corona-Maßnahmen. Diese allerdings in einem breiten Spektrum. Sie reichen von völliger Verleugnung der Pandemie als Ganzes, bar jeden Willens die erhöhten Sterberaten – wie auch immer sie en détail verschuldet sein – auch nur zur Kenntnis zu nehmen. Bis hin zu Positionen über die man durchaus diskutieren kann.

Dies führt zu Massenprotesten, die weitestgehend ins Leere gehen. Und, wenn sie dann noch verboten und trotzdem abgehalten werden, hat das zweierlei Art Folgen. Zum einen kann sich die FPÖ darüber echauffieren, dadurch die Situation anheizen und selber davon profitieren. Und andererseits gibt das Nichtbeachten der Hygieneverordnungen den Vorwand für das Innenministerium für schärfere staatliche Eingriffe.

Es ergibt sich also eine sonderbare Dialektik des beiderseitigen Profitierens, die Gerald Oberansmayr in seinem Diskussionsbeitrag vom 30.01.2021 den „Doppelpass Nehammer – Kickl“[4] genannt hat.

Thomas Pierer ist Krankenhausbediensteter und Gemeinderat der KPÖ in Bruck an der Mur

 

[1] Dringliche Anfrage in der Landtagssitzung vom 17.11.2020

[2] Statistik des österreichischen Bundesministeriums für Gesundheit (Krankenanstalten in Zahlen)

[3] Siehe z.B.: Totengräber der österreichischen Wirtschaft!, unter: https://www.solidarwerkstatt.at/arbeit-wirtschaft/eu-kommission-entpuppt-sich-als-totengraeber-der-oesterreichischen-wirtschaft

[4] Grätschen wir in den rechtsrechten Doppelpass Nehammer – Kickl!, unter: https://www.solidarwerkstatt.at/medien/disskusion-briefe

 

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