Türkis-grüne Steuerreform

weder sozial noch ökologisch

Die türkis-grünen Steuerreformpläne sind weder sozial noch ökologisch. Wenn uns angesichts der drängenden Zeit tatsächlich rasch eine ökosoziale Transformation gelingen soll, müssen vor allem die öffentlichen Investitionen massiv ausgeweitet werden. Eine erste Einschätzung der Solidarwerkstatt Österreich.


Weder sozial…

  • Von der Senkung der Körperschaftssteuer von 25 auf 23% profitieren in erster Linie die großen Kapitalgesellschaften (rund 800 Millionen Euro). Zwei Drittel der KÖST-Senkung geht an 1 Prozent der Unternehmen.

Alternativen: Erinnern wir uns: Die KÖST betrug bis 1989 55%. In diese Richtung sollte es wieder gehen. Außerdem: Abschaffung der Gruppenbesteuerung bei der Körperschaftssteuer; Einbeziehung der Kapitalerträge in die normale Einkommenssteuerprogression…

  • Die Absenkung von Stufe II (von 35% auf 30%) und III (von 42 auf 40%) bei der Einkommenssteuer verteilt sich ebenfalls sehr ungleich zu gunsten höherer Einkommen.

Alternativen: deutlich höhere Mindestlöhne, stärkerer Steuerprogression im oberen Bereich, um letztlich auch Einkommensobergrenzen zu schaffen, die die immer krassere verteilungspolitische Schieflage korrigieren. Einkommen aber einer gewissen Größenordnung haben nichts mehr mit Leistung zu tun. Sie führen zu einer demokratie- und wirtschaftspolitisch gefährlicher Macht- und Vermögenszusammenballung bei wenigen.

  • Die geplante Absenkung des Krankenversicherungsbeitrags für niedrige Einkommen ist eine vergiftetes „Geschenk“. Denn sie entzieht der öffentliche Gesundheitsversorgung weitere finanzielle Mittel. Und eine daraus resultierende schlechtere öffentliche Gesundheitsversorgung trifft Ärmere ungleich härter als Wohlhabende.

Alternativen: Massive Stärkung sozialen Kassen durch Ausweitung wertschöpfungsbezogene Versicherungsbeiträge, um die Pflege in die Sozialversicherung zu integrieren, Psychotherapie auf Krankenschein einzuführen, das Arbeitslosengeld dauerhaft zu erhöhen, usw. Die Deckelung der Gesundheitsausgaben muss sofort abgeschafft werden.

  • Der Familienbonus wird von 1.500,- auf 2.000 Euro je Kind angehoben. Da dieser als Steuerabsetzbetrag geltend gemacht wird, profitieren Niedrigverdiener (die wenig oder keine Einkommenssteuer zahlen) entweder gar nicht bzw. weniger als mittlere und hohe Einkommen.

Alternativen: flächendeckende kostenlose Ausweitung von Kinderbetreuungseinrichtungen, der schulischen Nachmittagsbetreuung bzw. von Ganztagsschulen, insgesamt: bessere materielle Ausstattung der Schulen und die Abschaffung sozial selektiver Barrieren in unserem Bildungswesen. Das hätte sowohl frauen- und familienpolitisch als auch sozial-, bildungs- und beschäftigungspolitisch eine ungleich bessere Wirkung.
 

... noch ökologisch:

  • Die CO2-Besteuerung soll bei 30 Euro je Tonne (plus 9 Cent je Liter Treibstoff) schrittweise auf 60 Euro je Tonne bis 2025 (plus 16,5 Cent je Liter Treibstoff) angehoben werden. Im Gegenzug wird ein „Klimabonus“ ausbezahlt: von 100 Euro pro Kopf und Nase in Wien bis 200 Euro im mit dem ÖV schlecht erschlossenen ländlichen Raum (über zwei Zwischenstufen mit 133,- und 167,-).
     
  • Nahezu einhellig wird bestätigt: Das hat keine wirkliche klimapolitische Lenkungswirkung! Wäre aber eine ungleich höhere CO2-Besteuerung eine ökologische Lösung? Auch das ist fraglich, solange den Betroffenen keine klimafreundlichen Alternativen zur Verfügung stehen, also z.B. attraktive öffentliche Verkehrsmittel oder Raumwärme aus erneuerbaren Energien. Denn dann wird eine hohe CO2-Steuer zur Abzocke, die die unteren sozialen Schichten stark belastet und einen gefährlichen Keil zwischen soziale und ökologische Fragen treibt (sh. Gelbwestenbewegung in Frankreich). Ein „Klimabonus“, der nach dem Gießkannenprinzip auf arm und reich gleichermaßen niedertröpfelt und regional fragwürdig gestaffelt ist, ändert daran wenig.

Alternativen:

  • Absolute Priorität auf die Ausweitung öffentlicher Investitionen in den öffentlichen Verkehr und andere Formen der ökologischen Mobilität. Der öffentliche Verkehr muss flächendeckend (also auch im ländlichen Raum) mit einem dichten Takt ausgebaut werden. Die Schweiz zeigt, wie das geht. Es ist ein Offenbarungseid, dass die übergroße Fläche Österreichs den 200 Euro-„Klimabonus“ bekommen sollen, weil diese Gebiet völlig unzureichend mit dem ÖV erschlossen sind (sh. Grafik oben). Mehr als die Hälfte der Bevölkerung lebt in Regionen der Klasse III und IV. Ebenso braucht es viel mehr öffentliche Mittel, um rasch und flächendeckend die thermische Sanierung (mit ökologischen Materialien!) und den Umstieg auf erneuerbare Energien für Raumwärme und Energie zu gewährleisten. Erst auf dem Hintergrund massiver öffentlicher Investitionen, die für alle Menschen reale klimafreundliche Alternativen schaffen, können CO2-Steuern eine ökosoziale Wirkung entfalten. Für solche Investitionen bzw. sozial gezielte Abfederungen sollten auch Mehreinnahmen aus einer CO2-Abgabe zweckgebunden werden, statt sie über einen „Klimabonus“ sozial unterschiedslos auszuschütten.
  • Sofortiger Stopp aller Großstraßenprojekte (Lobau-Autobahn, A26- und Ostautobahn in Linz, uvm.); Verbot von Kurzstreckenflügen unter 1.000 Kilometer. Statt dessen Ausbau der Fernverbindungen mit der Bahn.
  • Erhöhung der LKW-Maut auf das Schweizer Niveau gekoppelt mit dem zügigen Ausbau des Schienengüterverkehrs, sodass schrittweise der Transport nicht-verderblicher Produkte von der Straße auf die Schiene verlagert werden kann.
  • Das „Klimaticket“ (ursprünglich 1-2-3-Ticket) ist ein richtiger Schritt zur Attraktivierung des öffentlichen Verkehrs. Dieser Weg muss mutig weiterverfolgt werden: Absenkung des 1-Tickets auf 365 Euro in jedem Bundesland. Die Pendlerpauschale sollte von einem Steuerfrei- in einen -absetzbetrag verwandelt, um sie sozial gerechter zu gestalten. Wo es bereits zumutbare ÖV-Verbindungen für den Weg zur Arbeit gibt, wird die Pendlerpauschale ganz abgeschafft und durch ein öffentlich finanziertes Jobticket für den ÖV ersetzt. Das alles sind Schritte, um in Richtung eines Nulltarifs auf den gesamten Öffentlichen Verkehr voranzukommen, der über eine wertschöpfungsbasierte Mobilitätsabgabe nachhaltig finanziert wird.
  • Weitere wichtige steuerpolitische Maßnahmen, die türkis-grün nicht antastet:
    • Wiedereinführung von Erbschafts- und Vermögenssteuern. Ebenso wie Umweltsteuern (Umweltverschmutzung) wird damit ein Übel (hypertropher Reichtum) besteuert. Diese Steuern eignen sich also nicht zur Finanzierung laufender Sozial- und Bildungsausgaben, sondern sollen einen Beitrag dazu leisten, diese Übel zu reduzieren. Ihr Erfolg bemisst sich daran, dass die Erträge aus diesen Steuern sinken.
    • Ökosoziale Ausdifferenzierung der Mehrwertsteuer, z.B.: Wiedereinführung eines erhöhten Luxussteuersatzes, Abschaffung der Mehrwertsteuerbefreiung beim Export, Reduzierung der Mehrwertsteuer auf regional erzeugte Produkte, Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Mieten und Betriebskosten.
    • Stärkung der notleidenden Gemeindebudgets. Die Gemeinden sind bei dieser Steuerreform völlig unter die Räder gekommen, worauf der Präsident des Gemeindebundes in OÖ, Johann Hingsamer (ÖVP), bereits lautstark hinwies.
       

Ein Resümee:

  • Die türkis-grüne Steuerreform ist weit davon entfernt eine „ökosoziale“ zu sein. Sie fördert mittlere und hohe Einkommen sowie Konzerne und höhlt die öffentlichen Kassen aus. Klimapolitisch hat sie den falschen Fokus: statt endlich mit öffentlichen Investitionen für Umwelt und Klimaschutz zu klotzen statt zu kleckern (insbesondere im Verkehrs- und Energiebereich) werden CO2-Steuern ohne realen Lenkungseffekt eingehoben und über einen „Klimabonus“ verteilungspolitisch unsinnig vertröpfelt. Absurderweise stehen gleichzeitig noch immer Milliardeninvestitionen für den Ausbau von Autobahnen und Schnellstraßen am Plan.
     
  • Die Stärkung der öffentlichen Kassen, um den gemeinschaftlichen Konsum und ökosoziale Investitionen auszuweiten, sind der Schlüssel, um die ökosoziale Transformation der Wirtschaft in einem Zeitraum zu schaffen, der den großen Herausforderungen angemessen ist. So etwas hat das Wuppertal-Institut berechnet, dass bis 2035 eine Halbierung des Autoverkehrs (in den Städten sogar Drittelung) erforderlich ist, um die Klimaziele zu erreichen. Die Ausweitung der öffentlichen Kassen im Sinne dieser ökosozialen Transformation hat auch enorme Verteilungswirkung von oben nach unten, weil sie allen Menschen gleichermaßen Zugang zu existenziellen Gütern und Dienstleistungen verschaffen kann: Bildung, Gesundheit, Pflege, Mobilität usw. Den armen Staat können sich nur die Reichen leisten. Diese Politik ist auch ein wichtiger Hebel, um Vollbeschäftigung zu erreichen. Das stärkt wiederum die gewerkschaftliche Verhandlungsmacht und damit Löhne und soziale Sicherheit.
     
  • Die Alternativen zur türkis-grünen Steuerreform, die hier angedeutet wurden, stoßen sich freilich an allen Ecken und Enden an den Verträgen, Verordnungen, Richtlinien und Institutionen des EU-Konkurrenzregimes (hemmungsloser Freihandel nach innen und außen, Kapitalverkehrsfreiheit, Austeritätsvorgaben, Verlust der Geldsouveränität, Aufrüstungspflicht…) sowie dessen symbiotischer Beziehung zu Großkonzernen, insbesondere der Auto- und Fossilindustrie.

Quelle: www.solidarwerkstatt.at