Die Kurz-Strache-Regierung und ihr Finanzminister

Die „Budgetrede“ ist Ausdruck der politischen Blockade in Österreich

Die Budgetrede eines Finanzministers ist eine rituelle Angelegenheit. Der Informationswert ist meist sehr gering. Das Ganze ist eine Frage der Rhetorik. Von dort her ist es zu beurteilen. Wenn sie über etwas Aufschluss gibt, dann über den Geisteszustand der Regierenden, aber auch der Opposition - und wie beide wahrgenommen werden möchten.

Die veröffentlichten Zahlen sagen ebenso wenig aus. Es sind Globalgrößen. Ich gebe hier die Eckzahlen wieder, wie sie auf der website des Finanzministeriums zu finden sind:

 

 

 

 

Mrd. €                 2017                    2018      +/- %                   2019      +/- %

Einnahmen          73,8                     76,4       +3,5                     79,7       +4,3

Ausgaben            80,7                     78,5       -2,7                      79,1       +0,8

Inflation, %         2,1                       1,9                                      1,9

BIP real, + %       1,5                       3,2                                      2,2

Wir sehen, dass bereits im laufenden Jahr sehr deutlich Leistungen abgebaut werden. Im kommenden Jahr wird es real (inflationsbereinigt) weitere Kürzungen geben. Es ist ja das erklärte und stets wiederholte Ziel dieser Herrschaften, staatliche Leistungen für die Menschen abzubauen.

Der Herr Löger betont, dass es auch zusätzliche Leistungen geben werde. Und wer wird die bekommen, wer wird verlieren? Ganz einfach: Bekommen werden Menschen mit hohem Einkommen, und je höher, umso mehr. Das läuft unter dem Stichwort „Familienbonus“. Das ist natürlich ein Propaganda-Vokabel. Man lernt als Ökonom im ersten Semester, dass es die Haushalte, vlg. „Familien“, sind, welche alle Einkommen beziehen bzw. sie verkonsumieren. Wer soll es also bekommen, wenn nicht die „Familien“? Das ist eine Definition. Wer soll eine staatliche Leistung sonst bekommen, wenn sie nicht direkt an die Unternehmen geht? Es fragt sich nur, welche Haushalte / Familien sie bekommen.

Der „Familienbonus“ ist einfach ein Steuergeschenk an die Besserverdienenden.

Doch gehen wir zurück zur hölzernen Rhetorik des Herrn Löger mit seinen Grammatik-Feh­lern und seinem schlechten Stil. Der philosophiert da nämlich über „eine tiefere Erklärung unseres Verständnisses von Leistung“ und polemisiert gegen eine „fehlerhafte Interpretation“. Denn „Leistung schafft Mehrwert“. Da hat er Recht. Und wer sackt ihn ein? Nun, er und sein Kompagnon Blümel sprechen gern von „Leistungsträgern“, die ihn sich durch „unternehmeri­sches Agieren“ aneignen. Wieder hat er Recht. Aber meint er das auch so?

Inhaltlich müssen wir besonders acht geben: Lassen wir uns nicht durch die Propaganda der Medien und der hegemonialen Intellektuellen verwirren! Die von ihnen so geschätzten positiven Punkte sollten wir stets genau ansehen. An einem Beispiel möchte ich zeigen, was ich meine.

Der Ansatz für „Wissenschaft und Forschung“ soll von 2018 auf 2019 um gleich 7,2 % steigen, von 4,463 Mrd. auf 4,783 Mrd. €. Das ist doch einmal was, eine gute Entwicklung! Wirklich? Das Forschungs-Budget kommt im Wesentlichen einer ganz kleinen Gruppe von Akademikern zugute und sagt von vorneherein überhaupt nichts aus über den sinnhaften Einsatz von Mittel. Da sind enorme Beträge für Beiträge an Einrichtungen wie dem CERN dabei, wo die Mitgliedschaft „alternativlos“ (Fassmann) sei. Der FWF bekommt sein Geld und finanziert teure Vorhaben wie Altersbestimmungen der Diet-Bestandteile des Ötzi – die völlig überflüssig sind, weil wir ohnehin gut Bescheid wissen, mittels anderer viel billigerer Methoden; usw.

Aber diese und eine ganze Reihe anderer Bereiche sind völlig immunisiert. Eine Debatte über Sinn und Unsinn von „Forschung“ findet nicht statt, weil wir doch alle gar nicht imstande seien, dies zu beurteilen. Das ist das beliebteste Argumente jeder Art von Bürokratie, und erst recht der Wissenschafts-Bürokratie. Wenn jemand ein kritisches Wort wagt, wird er / sie niedergebügelt… Der antihegemoniale Kampf hat aber gerade an solchen Bereichen anzuset­zen. Hier werden häufig Mittel in großem Stil hinaus geworfen, welche anderswo sehr viel sinnvoller einzusetzen wären.

Das sind politische Details. Das allgemeine Bild ist unscharf.

Wir sehen zwei Trends, die sich bis zu einem gewissen Grad widersprechen. Zum einen setzt die neue Regierung einfach die Politik der vorigen, der VP-SP-Regierung fort und verschärft sie ein wenig. Das betonen nicht zuletzt die konservativen Zeitungen: „Löger legt ein solides erstes Budget vor“ (SN, 22. März 2018). – „Strukturell bleibt alles beim Alten“ (Presse, 21. März 2018). „Lögers Budget ist solide, ihm fehlen aber echte Akzente einer neuen Politik“ (Standard, 22. März 2018).

Aber gleichzeitig will die Regierung eine neue Radikalität im Umbau des Staats und im Ab­bau des Sozialstaats signalisieren. Aber ganz wagt sie es doch nicht. Daher kommen die altbe­kannten Phrasen von der „langfristigen Sicherung des sozialen Friedens“ und der „nachhalti­gen Finanzierung des Sozialstaats“. Die Aussichten auf einen politischen Erfolg dieser Strate­gie sind gemischt, aber nicht schlecht. Der Hinweis auf „60 Jahre untragbare Schuldenpolitik“ trifft nämlich einen empfindlichen Punkt in der heterogenen, aber breiten Koalition der Wäh­ler dieser Regierung, nicht zuletzt der Unterschichten. Da steht ein bestimmtes Verständnis dahinter, mehr eine Ahnung als eine Einsicht. Die alt-sozialdemokratische, widersprüchliche Rhetorik für einen neuen politischen Keynesianismus stößt auf wachsende Skepsis und kommt jenseits einiger „Links“-Liberaler überhaupt nicht an. Als der National- und Sozial­staat unumstritten war und diese Politik wachsender Staatsverschuldung teilweise funktionier­te, hat man sie als Notwendigkeit akzeptiert, aber auch damals nicht mit Begeisterung. Denn warum soll man staatliche Leistungen über Schulden finanzieren? Keynesianismus war als Konjunktur-Politik gedacht, wurde aber an Stelle einer Struktur-Reform eingesetzt. Inzwischen hat das EU-Imperium die wirtschaftliche Steuerfähigkeit des nationalen Staats abgebaut. Und das begreift ein Großteil der Bevölkerung nicht schlecht. Es bleiben nur die Schulden übrig, und die zahlen eines Tages wahrscheinlich die Unterschichten.

Die Widersprüchlichkeit der Opposition tut das Ihre dazu. Typisch Kern: Auf der einen Seite beklagt er den Abbau der Arbeitsmarkt-Politik. Auf der anderen Seite aber motzt er, das sei doch kein „echtes“ Nulldefizit. Damit gibt er der Regierung in ihrer Grundstrategie natürlich vollumfänglich Recht – und muss es bei seiner EU-Hörigkeit auch tun!

Was diese Budget-Rede und die Reaktionen darauf also wirklich kennzeichnet, ist der intel­lektuell ärmliche Versuch, der Versuch auf Löger-Niveau, den angestrebten Paradigmen-Wechsel programmatisch durchzubringen. Der Neoliberalismus hat „den Markt“ zum neuen Weltgeist erhoben. Doch das tat die mainstream-Ökonomie schon seit der Neoklassik, und im Grund seit Adam Smith. Jetzt aber fühlen sich die neuen Herren und Damen in Österreich stark genug, eine solche neue Hegelei durchzusetzen. Und der Herr Löger schwadroniert eben auf seinem Niveau: „Es beginnt eine gute, neue Zeit. … Wir haben das Budget im Griff. Endlich! … Wir ändern den Kurs…“

Das Ritual der Budget-Rede tut noch immer eine gewisse Wirkung. Denn sie ist  einerseits eine der ganz wenigen Gelegenheiten, wo eine von den Hegemonial-Medien systematisch verblendete Öffentlichkeit überhaupt policies, Politik-Inhalte und nicht nur belanglose personality-Shows zur Kenntnis nimmt. Aber gleichzeitig sind die realen Bedingungen für eine substanzielle Debatte nicht gegeben. Eine General-Debatte über die Politik findet schon deswegen nicht statt, weil alle im Parlament vertretenen Kräfte im Grund auf einer Linie stehen und sich vielleicht noch in feinen Nuancen unterscheiden. Die Budget-Rede sieht somit die Regierung im Vorteil. Bestätigen doch auch die oppositionellen Stellungnahmen im Grund die „Alternativlosigkeit“ ihrer Politik. Was dies politisch für uns bedeutet, bleibt vorerst ungewiss.