In Anbetracht der Corona Krise scheint es, dass das Paradigma der „schwäbischen Hausfrau“ kurzzeitig gelockert wurde. Sämtliche Staaten, auch in der Eurozone, haben sich von dem Diktum, der nicht anzutastenden Preisstabilität, etwas distanziert, um die sozioökonomischen Schäden der Lockdown- Strategien abzufedern (Kurzarbeit, diverse Härtefonds, Umsatzrückserstattung etc.). Beispielsweise kündigte die EU- Kommission, dass sie die Stabilitätsgrenze auch im Jahre 2022 aussetzen werden, sprich, Mitgliedstaaten können breite Konjunktur- und Hilfsprogramme durchführen ohne Sanktionen seitens der EU befürchten zu müssen. US- Präsident Joe Biden unterzeichnete ein Gesetz über Corona-Hilfen mit einem Umfang von 1,9 Billionen US-Dollar, dass somit als eines der größten Konjunkturprogramme aller Zeiten gilt. Selbst das markorientierte Wirtschafsblatt The Economist schlägt vor, dass das Budgetdefizit abhängig von der Arbeitslosenrate sein sollte.
Der Versuch eine antizyklische Wirtschaftspolitik zu gestalten ist der gegenwärtigen Lage zu Schulden zu kommen und nicht aus überzeugten politischen Interessen den Neoliberalismus eins „auszuwischen“. Eine massive Prekarisierung der Gesellschaft-hohe Erwerbslosenrate, überlastetes Gesundheitssystem usw.- führt zu stärkeren sozialen Spannungen und auch neoliberale Eliten wissen, dass eine Absicherung des kapitalistischen Systems durch eine kurzweilige breite öffentliche Investition in bestimmten Sektoren gelingen kann. Die Betonung in diesen Versuch liegt auf „kurzzeitig“ und „bestimmten“. Ein perfektes Beispiel für ein kurzweiliger und substanzloser Versuch ist der EU-Wiederaufbaufond (Recovery Fond). Der medial auf gepushte Recovery fond in Ausmaß von 750 Milliarden Euro stieß auf breite öffentliche Akzeptanz und wurde gar als „revolutionären“ Schritt für die EU-Integration betrachtet. Nun, die vorgelegten Beihilfen sind: 1) Zum größtenteils Kredite; 2) an das EU-Semester gekoppelt, also an Auflagen geknüpft (Strukturreformen-Ausgabenkürzungen) 3) handelt es sich um mickrige Beihilfen. Während andere währungssouveräne Staaten z.B. Neuseeland, 10% bis 20% ihres BIP für Corona-Hilfspakete ausgegeben haben, stellt der Recovery Fond einen nüchternen Hilfeversuch, der noch dazu auf 7 Jahre ausgelegt ist, dar. In Falle Italiens stellen die erhaltenen Gelder ca. 0,6 % des jährlichen BIPs dar.
In Österreich erfolgen die Maßnahmen nicht nur „kurzeitig“ – es wird jetzt schon von einem degressiven Arbeitslosengeld sowie einer massiven Senkung der Nettoersatzrate auf 40% gesprochen- sondern auch in „bestimmten“ Sektoren. Die türkis-grüne Bundesregierung hat eine Umverteilung nach „oben“ par exellence von statten gebracht. Große Möbel-, Elektro -und Baumärkte erhielten breite staatliche Förderung trotz eines Jahresumsatzanstiegs von 4%. Ebenso hat KTM 11 Millionen Euro Kurzarbeitsgeld erhalten, trotz eines verzeichneten Gewinns von 130 Millionen Euro im Krisenjahr. Wenn mancher der Logik von Finanzminister Blümel folgt, dann ist der Fahrplan ganz klar: Zurück zu den Maastrichtkriterien um mit einer konsequenten Sparpolitik, dass Corona bedingte Defizit abzufedern. Ein Defizit, dass eher den Reicheren genutzt hat als den vielen arbeitenden Menschen im Niedriglohnsektor und Erwerbslosen. Doch die Sparpolitik Post-Corona Pandemie wird genau diese vulnerablen Menschen noch weiter in Armut treiben.
Blümel als „schwäbische Hausfrau“:
Genau an dieser Stelle können wir das bewusste bzw. unbewusste Verkennen vieler politischer Akteure, inklusiv Großteiles der Linken, gegenüber den Kern des Neoliberalismus bemerken: Es bringt den Staat in einer limitierten Position und vergleicht ihn als herkömmliche Person. Finanzminister Blümel bringt dieses Gleichnis auf den Punkt als er sagte, dass „er nie sein Konto überzogen hatte“. Dieses Statement soll seine Kapazität als Finanzminister untermauern: So wie er persönlich keine Schulden macht, so wird der Staat auch keine Schulden machen. Das neoliberale Diktum - stark vertieft durch die EU-Verträge- führt dazu, dass die öffentliche Meinung jahrelang überzeugt, wird: Schulden seien per se schlecht bzw. der Staat soll nicht mehr über seine Verhältnisse investieren. Anderes ausgedrückt: Geht es der Wirtschaft gut, geht es uns allen gut. Aber, welche Wirtschaft meint Mensch damit?
Was braucht es?
Es braucht eine radikale Abkehr von den Mainstream Verständnis des Staates und seine Währungspolitik. Der selbstbestimmte Staat ist nicht den angeblichen „natürlichen Zwänge“ des neoliberalen Systems unterlegen. Es braucht eine Re-politisierung nationaler Entscheidungsprozesse. Ob es eine halbe Millionen Arbeitslose gibt oder nicht, oder eine ökosoziale Industriepolitik geben kann, ist eine de facto politische Entscheidung und keine finanzielle Frage. Die neoliberale Politik hat seit den 1960er den Staat nicht aufgelöst -wie viele Linke mittlerweile glauben- sondern rekonfiguriert, so dass er den Interessen der neoliberalen Eliten, den supranationalen Strukturen (EU) und transnationalen Kooperationen dient. Doch kann ein selbstbestimmter Staat ein Bollwerk gegen solch einer ausbeuterischen Politik sein.
Die nationale Selbstbestimmtheit ist der progressive Schlüssel, um eine tiefgehende gesellschaftliche ökosoziale Wende einzuleiten im Sinne der Mehrheit!